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Rezension: Draußen nur Kännchen - Asfa - Wossen Asserate

Im vorliegenden Buch wird Deutschland, die deutsche Kultur und die Deutschen an sich von einem ganz besonderen Blickwinkel aus betrachtet. Der Autor, Asfa-Wossen Asserate ist nämlich nicht Kulturhistoriker einer europäischen Universität, sondern Prinz aus dem äthiopischen Kaiserhaus.

Dies allein ist natürlich noch nicht geeignet, sich ein Bild über die Deutschen zu machen. Wenn man aber liest, dass der Prinz schon seit frühester Kindheit durch deutsche Kindermädchen im kaiserlichen Haus mit der Kultur unseres Landes vertraut gemacht wurde, dass er die deutsche Schule in Addis Abeba besuchte und auch dort das Abitur ablegte, weiterhin seine Studien in Geschichte und Jura u.a. auch in Tübingen bewältigte, dann versteht man, dass der Blick dieses Mannes auf Deutschland ein sehr interessanter Blickwinkel ist.

Der Autor zeichnet anhand von eigenen Erfahrungen, die er uns bildlich sehr anschaulich in Form von persönlichen Erlebnissen nahebringt, wie die deutsche Mentalität auf ihre ureigenste Weise sich darstellt.

Auf seinen vielen Reisen durch die Republik, die er unternommen hat, entwickelte der äthiopische Betrachter ein feines Gespür für die unterschiedlichen Volksgruppen. Mit sicherem Blick erkennt er die unterschiedlichen Mentalitäten und es gelingt ihm hervorragend diese ethnischen Eigenheiten miteinander zu vergleichen. Zum besseren Verständis bemüht sich der Autor, die Ursprünge in geschichtlicher Einvernahme zu verdeutlichen.

Bei allem faktischen Bemühen hinter die Deutschen zu schauen, ist dem Prinz allerdings die tiefe Zuneigung, die er zu diesem Land hat, anzusehen. Wer glaubt, dass die Lektüre des Buches durch trockene Fakten ermüdet, irrt, denn Asserate versteht es, mit viel Humor und Augenzwinkern auch schwierige Verhaltsmuster anschaulich und verständnisvoll zu vermitteln.

Empfehlenswert.

Rezension: Menschenflug-Treichel

Diffuse Ängste plagen Treichels zur Schwermut neigenden Protagonisten, Stephan. Der Wahl- Berliner steht gerade vor seinem zweiundfünfzigsten Geburtstag. Akademischer Rat sowie erfolgreicher Schriftsteller ist er und verheiratet mit Helen, einer ebensolch erfolgreichen Psychoanalytikerin. Die Ehe, die er mit ihr führt, ist nicht unglücklich. Geliebt und verstanden fühlt er sich von dieser Frau. Obgleich seine Lebensumstände keinen Grund zur Besorgnis liefern, spürt Stephan jedoch tiefen Kummer und sein Herz beginnt zu stolpern. Er entschließt sich eine " Auszeit" von Job und Familie zu nehmen, um sich mit den Ursachen für seine immer wiederkehrende Tristesse auseinander zu setzen. 

Er weiß, dass die düstere Stimmung mit seiner unverarbeiteten Kindheit, der Flucht seiner Eltern aus dem Osten nach 1945 und dem auf dem Treck verloren gegangenen Bruder zusammen hängt. Er erinnert sich der pausenlosen Schuldgefühle seiner verstörten Mutter, der Aggressivität seines kriegsversehrten Vaters und des nie enden wollenden Gefühls bloßer Ersatz zu sein. Diese Verunsicherungen schleppt Stephan seit seiner Kindheit mit sich herum und zeigen sich im Ansatz in nicht offen zum Ausdruck kommender Eifersucht gegenüber Helens geschiedenem Mann, sowie diversen Furchtsamkeiten. 

Nach Ägypten reist Stephan und besucht Stätten archäologisch bedeutender Ausgrabungen. Dort hat er, wenn man so will, ein Schlüsselerlebnis mit einer beinahe sechzigjährigen Archäologin. Nachhause zurückgekehrt, beginnt er daraufhin die alte Familiengeschichte auszubuddeln. Er besucht seine Geschwister, sucht schließlich nach seinem Bruder und befasst sich mit den wolhynischen Wurzeln seiner Vorfahren. Seine familiäre Sehnsucht läßt den entwurzelten Stephan sogar an einem landsmannschaftlichen Treffen von Wolhyniern teilnehmen, das allerdings ebenso abschreckend auf ihn wirkt, wie die Begegnung mit seinem vermeintlichen Bruder. Der Osten bleibt Stephan fremd und sein verloren gegangener Bruder ein Phantom, welches im Grunde auch im Jetzt keinen realen Platz erhalten kann. Indem sich der Wanderer zwischen zwei Welten vom Gestern verabschiedet, wird sein bleischweres Herz leichter, federleicht....

Nur derjenige, der sich von Anhaftungen löst, hat die Chance zu schweben und der alten Idee des Menschenflugs nahe zukommen. Vielleicht gelingt Stephan am Ende seine Reise zu sich selbst genau eben dies....Ein wirklich, empfehlenswertes Buch, welches sich auf subtile Weise mit Vergangenheitsbewältigung auseinandersetzt und dabei aufzeigt, wie der uneingestandenene Trübsinn der alten Verdrängergeneration auf deren Kinder projiziert worden ist und diesen mitunter bis zum heutigen Tag das Leben schwer macht!