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Rezension:Frühe Störung: Roman (Gebundene Ausgabe)

Der Traum aller Frauen, ein Mann, der immer nur "Mutter, Mutter, Mutter" denken kann.

Der Autor dieses Werks ist Prof. Dr. Hans-Ulrich Treichel. Er lehrt am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig. Gelesen habe ich den Roman, weil mich der elegante, leicht ironische Stil schon nach wenigen Seiten fasziniert hat.

Damit Sie erahnen, um was es in diesem Buch geht, zitiere ich vorab gleich einmal ein paar Sätze. Der Roman beginnt wie folgt:

 "Ich hatte mich auf die Couch gelegt und über meine Mutter geredet. Über diese unablässige Mutter Mutter Mutter in meinem Gehirn. Ich hatte über meine Mutter geredet und der Psychoanalytiker hatte sich alles angehört. Irgendwann habe ich ihn gefragt, ob ihm das nicht auf die Nerven gehe und ob er mich nicht eines Tages aus der Praxis schmeißen werde, weil er mein ständiges Muttergerede nicht mehr aushält." (S.7)

Einhunderzweiundachtzig Seiten später liest man folgenden Schlusssatz: "Ich bin ein altes Kind, das sich vor seiner toten Mutter fürchtet." (S.188).

Ich könnte es mir jetzt einfach machen und zusammenfassend sagen: Jetzt wissen Sie ja, worum es in etwa geht. Ein toller Roman über einen Intellektuellen, der einen ausgereiften Mutterkomplex hat und gerne andere für seine Probleme verantwortlich macht, allen voran seine Mutter. Vielleicht könnte ich noch einen Wunsch anfügen: Liebe Leserinnen, Gott schütze Sie vor solch einem Mann.

Gut, ich füge noch ein paar Sätze an.

Franz, der Ich-Erzähler, berichtet zumeist sehr komisch davon, dass er sich niemals von seiner Mutti, einer keineswegs biestigen Frau, abnabeln konnte. Franz, das alte Kind, hat studiert, später dann einen Reiseführer über die Gegend um Ahrenshoop verfasst. Franz ist sehr intelligent und gebildet, doch das hilft ihm nicht, sich von seiner Mutterstörung zu befreien. Seine "Macke" scheint ihn in vieler Hinsicht zu lähmen, vielleicht aber ist sie auch nur eine Ausrede dafür, nicht "in die Gänge" zu kommen und es sich stattdessen lieber bequem zu machen. Fast scheint es so.

Der Ich-Erzähler versucht durch seinen Reisen, auch dadurch, dass er stets dann, wenn seine kranke Mutter ihn braucht, niemals wirklich präsent ist, vor ihr zu fliehen, quält sich mittels pausenloser Schuldgefühle aufgrund seines Verhaltensmusters, ändert aber nichts und schafft es nicht, loszulassen und erwachsen zu werden.

Nachdem seine Mutter schließlich an Brustkrebs verstorben ist, (eine Metapher ?) ist Franz durch das Erbe materiell abgesichert. Doch was bedeutet dies für ihn? Er bleibt -wie er richtig erkennt- ein Kind. Wie ich finde, ein ziemlich angstbesetztes, narzisstisches, sozusagen ein Albtraum für alle Frauen, egal wie klug ein solcher Mann daherreden kann.

Sehr amüsant. Empfehlenswert.

PS: Ich hüte mich, Franz einen Ödipuskomplex zu unterstellen. Dieser ängstliche Intellektuelle hat eher Angst davor, einen Ödipuskomplex zu haben, weil er vermutlich weiß, dass es einen solchen gibt. 

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