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Rezension: Inselträume

"Er war ein wohlgewachsener, schlanker Bursche, (..), alle seine Glieder zeugten von Stärke und Behendigkeit, sein männlich, schönes Gesicht war ohne Wildheit und aus den Zügen sprach, besonders, wenn er lächelte, etwas von der Sanftheit...."(aus: Robinson Crusoe" von Daniel Defoe)

Erinnern Sie sich? Hier wird kein verbiesterter Intellektueller beschrieben, sondern der Traum aller Frauen: der liebe "Freitag":-))

Dieses Lesebuch enthält eine große Anzahl von Textauszügen aus Werken namhafter Autoren, deren Gedanken in den besagten Texten um reale oder um fiktive Inseln kreisen. Inhaltlich decken die Texte folgende Themenbereiche ab:
1) Wie man zu einer Insel kommt

2) Von der Insel an sich und wie man sich auf ihr einrichtet

3) Neuigkeiten von einigen bemerkenswerten Inseln

4) Wie eine Insel regiert und beschaffen sein soll

5) Vom Zusammenleben der Geschlechter auf der Insel

6) Von Begegnungen mit Eingeborenen und Kannibalen

7) Letzte Gedanken von heimischen Inseln.

Zu den Autoren zählen u.a. Jules Vernes, Joachim Ringelnatz, Thomas Morus, Platon, George Sand, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, George Forster, Daniel Defoe und Heinrich Heine.

Dem Quellenverzeichnis am Ende des Buches kann man entnehmen, aus welchen Werken der Autoren die Texte stammen. Defoes "Die Kannibalen" dürfte jeder kennen, der als Kind "Robinson Crusoe" gelesen hat. Neben "Robin Hood" war "Robinson Crusoe" eines meiner Lieblingsbücher und wie mir die Textstelle verdeutlicht hat, gefällt mir die Art wie Defoe erzählt noch immer ausgezeichnet

Die gewählten Textstellen aus "Utopia" von Thomas Morus haben mir auch gefallen. Auf dieses Werk im Rahmen des Lesebuchs aufmerksam zu machen, finde ich sehr lobenswert.

Der Text von Georg Forster "Auf der Insel Huaheine" macht Lust auf dessen Werk "Reise um die Welt" und wer George Sand "Ein Winter auf Mallorca" bislang noch nicht kannte, wird sich spätestens nach der Lektüre des Textauszugs für das Buch interessieren.

Mir hat eine Textstelle aus Heinrich Heines "Auf der Insel Norderney" besonders gut gefallen, so sehr, dass ich sie an dieser Stelle zitieren möchte:"..Was die Menschen so fest und genügsam zusammenhält, ist nicht so sehr das innig mystische Gefühl der Liebe als vielmehr Gewohnheit, das naturgemäße Ineinander-Hinüberleben, die gemeinschaftliche Unmittelbarkeit. Gleiche Geisteshöhe oder, besser gesagt, Geistesniedrigkeit, daher gleiche Bedürfnisse und gleiches Streben; gleiche Erfahrungen und Gesinnungen, daher leichtes Verständnis untereinander; und sie sitzen verträglich am Feuer in den kleinen Hütten, rücken zusammen, wenn es kalt wird, an den Augen sehen sie sich ab, was sie denken, die Worte lesen sie sich von den Lippen, ehe sie gesprochen worden, alle gemeinsamen Lebensbeziehungen sind ihnen im Gedächtnisse, und durch einen einzigen Laut, eine einzige Miene, eine einzige stumme Bewegung erregen sie untereinander so viel Lachen oder Weinen oder Andacht, wie wir bei unseres Gleichen erst durch lange Expositionen, Expektorationen und Deklamationen hervorbringen können." (Zitat: S.256)

Vielleicht ist es ja genau das, was uns alle so gerne von fernen Inseln, von paradiesischen, sonnenerfüllten Räumen träumen lässt, wo man sich ohne viele Worte einfach versteht und nicht jedes kleine falsch verstandene Wort Unversöhnlichkeit auszulösen vermag. Eine Insel der Intellektuellen ist eine Vorstellung, die nur durch Alpträume geistert, oder etwa nicht?

Empfehlenswert.

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Rezension:Fukushima, mon amour: Brief an eine japanische Freundin (Broschiert)

Der in Genf geborene Schriftsteller Daniel de Roulet hat einen Brief an eine japanische Freundin geschrieben, die er vor einem Jahr zum Kirschblütenfest in Tokio besuchte. Er schreibt Kayoko aus Anteilnahme aufgrund der Ereignisse in Fukushima. Er möchte wissen, wie es der Freundin geht, wie sie und die fünfunddreißig Millionen Hauptstadtbewohner auf das Ereignis reagieren. Der Autor ahnt bereits, dass Kayoko die Gefahren herunterspielen wird, weiß dass die japanische Mentalität eine Einmischung seitens Nicht-Japaner in ihre Angelegenheiten von je her nicht mochte. Dass die "Angelegenheit Fukushima" unser aller Angelegenheit ist, will man nicht zur Kenntnis nehmen. Auch Mitleid wegen des Gräuels von Hiroshima wird von Japanern nicht akzeptiert. Japaner scheinen sich in ihrem Leid einzuigeln und es als Schwäche zu begreifen, wenn sie sich für Tröstungen öffnen.

De Roulet lässt den Leser wissen, dass "Fukushima" eigentlich "Insel des Glücks" bedeute. Eine neue Zeit ist angebrochen, der Name klingt nun wie bitterer Zynismus. Für den Autor gibt es eine Parallele zwischen den Konzentrationslagern der Nazis und den Kernkraftwerken, die auch ich sehe. Er schreibt an einer Stelle: "Von diesen allzu perfekten Maschinen" und meint damit die gigantischen Reaktoren,"erfasst mich das gleiche Gefühl der Maßlosigkeit, von menschlichem Wahnsinn, das ich in Sachsenhausen, in Dachau, in Ausschwitz erlebt habe." Stimmt.

Er hat Recht, wenn er an anderer Stelle weiterschreibt:"Wir sind in die Falle gelaufen, haben an einem System mitgewirkt, von dem wir wussten, dass es den grausamen Tod bringen wird und hatten nur phasenweise den Mut, für unsere Ideale zu kämpfen," weiß um unsere Gleichgültigkeit gegenüber dem Gang der Welt und unserem technologischen Opportunismus und benennt diese Gegebenheiten in einer Weise, aus der Ohnmachtsgefühle sprechen.

Sein Brief ist Selbstreflexion, die sich einem Gegenüber mitteilen will, von dem er weiß, dass sich nicht öffnen wird für den Inhalt der Zeilen.

Auf den letzten Seiten kann man eine Chronologie der Ereignisse im Kernkraftwerk Fukushima lesen und aufgrund dieser Fakten den Brief auf sich wirken lassen. Sich mit Tatsachen zu befassen und ihnen ins Auge zu sehen, kann bedeuten, dass man seine Ohnmachtsgefühle auf eine solche Weise zu überwinden vermag. Das gilt nicht nur für Kayogo, sondern für uns alle.

Empfehlenswert.

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