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Rezension Peter J. König- Montecristo - Martin Suter- Diogenes

Martin Suters Roman "Montecristo", erschienen im Schweizer Diogenes Verlag hätte sich für die Veröffentlichung kein besseres Timing aussuchen können, als die aktuelle Periode um die Verhaftungen und bestürzenden Aufdeckungen rund um den Weltfußballverband FIFA in Zürich. Nicht nur, dass die Thematik dieses Werkes von Suter sich in der gleichen Grauzone und dem kriminellen Milieu bewegt wie die korrupten Machenschaften rund um die FIFA-Zentrale am Zürichberg, nein, auch der Protagonist Jonas Brand ist genau in jener Stadt zuhause. 

Und hier entwickelt sich der Romanverlauf, der ähnlich unglaublich und perfide ist, wie die aktuellen Enthüllungen in Sachen Weltfußball. Ob dies völlig dem Zufall geschuldet ist, oder ob der Schweizer Autor Martin Suter mit "Montechristo" versucht hat, wohlverstandene Andeutungen zu verarbeiten, dies ist letztendlich der Interpretation jedes einzelnen Lesers überlassen. 

Fakt jedenfalls ist, dass die Schweizer Bankenwelt arge Verluste bezüglich ihrer einstmals exzellenten weltweiten Reputation hinnehmen musste, nachdem die US-Finanzbehörden sie öffentlich der Geldwäsche und Steuerhinterziehung angeklagt haben, mit dem Ergebnis alle Konten von amerikanischen Steuerhinterziehern offen zu legen und zukünftig kooperativ mit den US-Behörden zusammen zu arbeiten. Genau dies ist das Milieu, indem sich Suters Roman bewegt, das Milieu der Schweizer Großbanken und ihrer Verstrickungen. 

Der Video-Journalist Jonas Brand, der sich mit Filmgeschichten für das Boulevard über Wasser hält, wird aufgeschreckt durch die Vollbremsung des abendlichen Intercitys, der die Pendler von Zürich nach Basel bringt. Der Speisewagen ist besetzt mit übermüdeten Bankern, die zu ihren Familien zurückkehren. Der abrupte Stop inmitten eines Tunnels und das aufgeschreckte Zugpersonal sind für Brand Zeichen genug, sofort mit seiner Videokamera aktiv zu werden, um einem Schaffner zum nächsten Ausgang zu folgen.

Aus der geöffneten Zugtür sieht er im diffusen Licht eine gekrümmte Leiche neben dem Intercity liegen. Trotz schlechter Bildqualität entscheidet er sich die gespenstige Szene aufzunehmen. Zurück im Speisewagen, verbringt er die anschließende Wartezeit mit kurzen Bildinterviews der Fahrgäste in der Hoffnung, diese bei den aktuellen Nachrichten eines Senders unterzubringen. Dies ist jedoch nicht die Welt, die Jonas Brand sich vorgestellt. Er sieht sich als der geborene Regisseur, der Filmemacher für das ganz große Kino. Schon einmal hat er sich mit seinem Projekt "Montechristo" bei der Schweizer Filmförderung beworben, einer modernen Fassung des Klassikers "Der Graf von Montechristo", leider jedoch mit wenig Erfolg. Aufgeben aber ist seine Sache nicht. Seine Chance wird kommen, da ist sich Brand ganz sicher. 

Der Zufall will es, dass Jonas Brand einige Tage später zwei 100 Franken-Noten in die Hände bekommt, die exakt die gleichen Ziffern haben. Dass hier etwas nicht stimmen kann, ahnt er sofort. Welche blutigen Machenschaften und Betrügereien im ganz großen Stil damit allerdings verbunden sind, die die gesamte internationale Finanzwelt aus den Fugen geraten lassen können, wird ihm auch dann nicht klar, als er überraschend doch noch eine Zusage für sein Filmprojekt "Montechristo" erhält. 

Was seine neue Freundin Marina Ruiz anbetrifft, einer Eventmanagerin, da ist sich Brand allerdings ganz sicher, dass sie in der größten Gefahr seine einzig verbliebene Vertraute ist. Wenn er sich da nicht ein weiteres Mal irrt?

Martin Suter, der Schweizer Erfolgsautor mit Bestsellerqualität und einer riesigen Fangemeinde hat hier erneut einen spannenden Roman verfasst, der so direkt und wirklichkeitsnah erzählt ist, dass der Leser keinen Augenblick zögert, hinter allem vertuschte Realität zu vermuten. Dass die Fiktion des Romans eine derartige Wirklichkeit ausstrahlt, zeigt zum einen die großen schriftstellerischen Fähigkeiten von Martin Suter, zum anderen aber auch wie gut er sich in dem Metier der Schweizer Bankenwelt auskennt oder zumindest wie exzellent er recherchiert hat. Dies gilt auch für das jeweilige Milieu, in dem sein Protagonist sich bewegt. Gleichgültig wo auf der Welt er gerade ist, wie z. B. im Hotel Oriental in Bangkok, immer hat der Leser das Gefühl unmittelbar dabei zu sein. Der Wiedererkennens- Wert ist äußerst faszinierend. 

Sehr empfehlenswert

Peter J. König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Diogenes-Verlag und können das Buch dort bestellen. Sie können es aber auch direkt bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern http://www.diogenes.de/leser/katalog/nach_autoren/a-z/s/9783257069204/buch

Rezension: Die Frau auf der Treppe- Bernhard Schlink- Diogenes

Bernhard Schlink wird im Juli 71 Jahre alt. Der Schriftsteller gehört demnach vom Alter her der 68 er Generation an. Als Juraprofessor lehrte der Romancier bis 2009 an der Humboldt-Universität in Berlin Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie und hat mit dem Roman "Der Vorleser" 1995 einen internationalen Bestseller geschrieben, dem andere Bücher und eine Fülle von Ehrungen folgten. 

Mit "Die Frau auf der Treppe" legt Schlink einen Roman vor, der u.a. in der Kunstszene spielt und in dem die 68er-Vergangenheit mit dem Jetzt zeitreisend verquickt worden ist. 

Drei Männer mit ihren egoistischen Ansprüchen tummeln sich um eine vormals schöne, unangepasste Frau, die man als Metapher jener längst vergangenen Zeit interpretieren kann und überleben diese schließlich als in die Jahre gekommenen, wohlsituierten Herren. 

Irene, einst Kunststudentin mit revolutionärem Anspruch, nun Krankenschwester in Australien, scheint- obgleich  jünger als diese Männer, alt geworden und stirbt schließlich an Krebs. 

Weshalb wollen die Männer nach 40 Jahren diese Frau nochmals sehen? Letztlich aus dem gleichen Grund, weshalb andere Trophäen dieser Männergeneration neuerdings vor die Scheinwerfer gezerrt werden. Um sich zu versichern, jene schöne Zeit sei hässlich geworden,  man muss ihr nicht mehr nachtrauern. Auf Bildern konserviert, kann man sich für Minuten zurücksehnen, sich  für Momente nochmals jung fühlen. Doch die Realität zeigt  etwas anderes. Diesen Spuren der Zeit, ja dem Zeitgeist selbst,  kann die Schöne von gestern nicht entgehen. 

Schlink legt der jungen Irene einen Gedanken in den Mund, der zum Schlüssel des Romans wird: "Zum Jungsein gehört das Gefühl, alles könne wieder gut werden, alles, was schief gelaufen ist, was wir versäumt, was wir verbrochen haben. Wenn wir das Gefühl nicht mehr haben, wenn Ereignisse und Erfahrungen unwiederbringlich werden, sind wir alt. Ich habe das Gefühl nicht mehr."

Damals war Irene 20 Jahre alt, doch ihre Zeit war bereits vorbei, sie wusste es, weil der 68er Frühling schon beendet war und genau deshalb alterte sie rasch. Alles hat seine Zeit, auch die wirklichen Protagonisten in der Zeit.

Was den Männern blieb, war der Traum von einer schönen, unangepassten Frau, mit der keiner wirklich längerfristig zu leben gedachte, sondern sie nur ab und an als Gemälde bewundern wollten, von dem man nicht genau sagen konnte, ob es letztlich gnadenlos kitschig war. Ein Gemälde, geschaffen von einem Künstler, dessen kreativste Zeit vor über 40 Jahren schon zu Ende gegangen war....

Haben alle, letztlich auch der Ich-Erzähler, Verrat begangen an der schönen Frau ihrer Jugend-Träume? Diese Frage sollte jeder für sich selbst beantworten.

Ein tiefsinniger Roman. 

Empfehlenswert. 

Helga König

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