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Rezension: Die Frau auf der Treppe- Bernhard Schlink- Diogenes

Bernhard Schlink wird im Juli 71 Jahre alt. Der Schriftsteller gehört demnach vom Alter her der 68 er Generation an. Als Juraprofessor lehrte der Romancier bis 2009 an der Humboldt-Universität in Berlin Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie und hat mit dem Roman "Der Vorleser" 1995 einen internationalen Bestseller geschrieben, dem andere Bücher und eine Fülle von Ehrungen folgten. 

Mit "Die Frau auf der Treppe" legt Schlink einen Roman vor, der u.a. in der Kunstszene spielt und in dem die 68er-Vergangenheit mit dem Jetzt zeitreisend verquickt worden ist. 

Drei Männer mit ihren egoistischen Ansprüchen tummeln sich um eine vormals schöne, unangepasste Frau, die man als Metapher jener längst vergangenen Zeit interpretieren kann und überleben diese schließlich als in die Jahre gekommenen, wohlsituierten Herren. 

Irene, einst Kunststudentin mit revolutionärem Anspruch, nun Krankenschwester in Australien, scheint- obgleich  jünger als diese Männer, alt geworden und stirbt schließlich an Krebs. 

Weshalb wollen die Männer nach 40 Jahren diese Frau nochmals sehen? Letztlich aus dem gleichen Grund, weshalb andere Trophäen dieser Männergeneration neuerdings vor die Scheinwerfer gezerrt werden. Um sich zu versichern, jene schöne Zeit sei hässlich geworden,  man muss ihr nicht mehr nachtrauern. Auf Bildern konserviert, kann man sich für Minuten zurücksehnen, sich  für Momente nochmals jung fühlen. Doch die Realität zeigt  etwas anderes. Diesen Spuren der Zeit, ja dem Zeitgeist selbst,  kann die Schöne von gestern nicht entgehen. 

Schlink legt der jungen Irene einen Gedanken in den Mund, der zum Schlüssel des Romans wird: "Zum Jungsein gehört das Gefühl, alles könne wieder gut werden, alles, was schief gelaufen ist, was wir versäumt, was wir verbrochen haben. Wenn wir das Gefühl nicht mehr haben, wenn Ereignisse und Erfahrungen unwiederbringlich werden, sind wir alt. Ich habe das Gefühl nicht mehr."

Damals war Irene 20 Jahre alt, doch ihre Zeit war bereits vorbei, sie wusste es, weil der 68er Frühling schon beendet war und genau deshalb alterte sie rasch. Alles hat seine Zeit, auch die wirklichen Protagonisten in der Zeit.

Was den Männern blieb, war der Traum von einer schönen, unangepassten Frau, mit der keiner wirklich längerfristig zu leben gedachte, sondern sie nur ab und an als Gemälde bewundern wollten, von dem man nicht genau sagen konnte, ob es letztlich gnadenlos kitschig war. Ein Gemälde, geschaffen von einem Künstler, dessen kreativste Zeit vor über 40 Jahren schon zu Ende gegangen war....

Haben alle, letztlich auch der Ich-Erzähler, Verrat begangen an der schönen Frau ihrer Jugend-Träume? Diese Frage sollte jeder für sich selbst beantworten.

Ein tiefsinniger Roman. 

Empfehlenswert. 

Helga König

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