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Rezension: Literaturland Hessen- Literarische Streifzüge durch die Mitte Deutschlands- Heiner Boehncke, Hans Sarkowicz

Autoren dieses beeindruckenden Buches sind Prof. Dr. Heiner Boehncke, der vergleichende Literaturwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt/Main lehrt und Hans Sarkowicz, der Leiter des Ressorts Literatur und Hörspiel im Hessischen Rundfunk. "Literaturland Hessen" nennt sich ein Projekt, das seit 2004 von hr –Kultur, der Kulturwelle des Hessischen Rundfunks, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und dem Hessischen Literaturrat getragen wird. 

Erinnert wird an bedeutende Autorinnen und Autoren, an literarische Traditionen, Epochen, Verlage, Dichterhäuser, literarische Orte und Landschaften in Hessen. Das Projekt soll nicht als Literaturgeschichte begriffen werden, sondern soll Hauptlinien der Literatur in Hessen darstellen. Einen Verein der Freunde und Förderer des Literaturlandes Hessen e.V. gibt es übrigens seit 2011.

Das Buch ist in 10 Kapitel untergliedert und enthält eine Fülle von Informationen. Dabei geht es im ersten Kapitel um die Literaturstadt Frankfurt: Von Karl dem Großen bis zur Gegenwart. Seite für Seite lesen sich die Texte spannend. Sei es, wenn es um die Anfänge der Frankfurter Buchmesse geht oder um die Frankfurter Judengasse im Spiegel zeitgenössischer Berichte und man im Rahmen der einzelnen Beiträge auch stets aufs Neue alte Textauszüge lesen kann, die vortrefflich eingebunden, zum Gesamteindruck beitragen.  So liest man u.a. einen Auszug aus Heinrich Heines "Der Rabbi von Bacharach", der gerade einem Pogrom entkommen mit seiner Frau Sara nach Frankfurt an die Pforte des Ghettos kam.

"Aber auch in Frankfurter Kaufläden konnte die Literatur gedeihen. Das zeigt das Beispiel der Geschwister Brentanos…“ So beginnt der Beitrag über die Geschwister Brentano, die sicher vielen bekannt sind, vor allen Bettine, deren Großmutter übrigens die Schriftstellerin Sophie von La Roche war. Bettine, eine großartige Frau, die ihre gesellschaftliche Stellung dazu nutzte, um sich gegen das Elend der Massen ebenso zu engagieren wie für verhaftete Oppositionelle.

Ludwig Börne, auch die Frankfurter Nationalversammlung werden thematisiert und so vieles andere mehr, unmöglich es hier zu benennen. Auf Seite 72 angekommen, lese ich, dass die Frankfurter Kaufmannsfamilie Frank im Sommer 1933 ihre Heimatstadt Frankfurt verließ. Ihre Tochter Anne war gerade 4 Jahre alt. Über Aachen gelangte die Familie nach Amsterdam. Dass Anne 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen starb, ist gewiss vielen bekannt und ihr Tagebuch haben auch nicht wenige gelesen, doch wer weiß schon, wo sie einst in Frankfurt wohnte?

Ich lese hier auch von Bertha Pappenheim, deren jüdisches Kinderheim 1938 niedergebrannt wurde, damals war sie  bereits nach schwerer Krankheit gestorben, nachdem die Gestapo sie 1936 verhaftet hatte. 

Auch über Marcel Reich-Ranicki  wird man informiert. Er begann 1958 bei der FAZ als Rezensent, dann trennten sich die Wege wieder,   denn er wurde 1960-1973 Literaturkritiker der Zeit, anschließend erst Leiter des Literaturblatts der FAZ und ab 1988 dann Moderator des Literarischen Quartetts. 

Was hier im Buch an Information geliefert wird, ist geradezu unglaublich: "Mit Goethe durch Hessen" habe ich besonders aufmerksam gelesen. Sehr gut geschrieben.

Die literarischen Streifzüge führen u.a. nach Kassel, wo einst  auch der Dichter Rilke weilte, nach Arolsen, auch nach Darmstadt, wo sich Goethe oft aufhielt und dort viele Freunde hatte. Karl Krolow starb 1999 in Darmstadt, ein begnadeter Lyriker, dessen Gedichte ich nun erneut lesen werde.

Anregend ist es, durch die Originaltexte im Buch zum Weiterlesen motiviert zu werden. Sei es im Hinblick auf die Gebrüder Grimm oder auch auf Minnesänger, wie etwa Konrad von Bickenbach oder Bligger von Steinach, die mir bislang nicht bekannt waren. 

Grimmelshausen galt im 17. Jahrhundert als einer der bedeutendsten deutschen Dichter. Der Autor des Simplicissimus Teutsch stammt aus Gelnhausen. Ich fand es sehr interessant,  mehr über seine Herkunft zu erfahren, aber auch über sein Leben, weil sich sein Buch auf diese Weise besser erschließt. 

Alle Städte, die hier gestreift werden, kann ich in der Rezension unmöglich aufführen, doch Wetzlar ist ein Muss, schon wegen Goethe, doch auch Bad Soden, Bad Nauheim und Wiesbaden sind eine Fundgrube für einen literarischen Streifzug. Georg Büchner und der Vormärz in Hessen wird sehr gut dargestellt und motiviert, sich in die Thematik zu vertiefen. Dann ist da noch "Hessens sonniger Süden", der mich, die ich dort geboren wurde, natürlich besonders interessiert, hier u.a. Orte wie Trebur und Lorsch, uralte Orte mit großer Geschichte, des Weiteren die Burgen an der Bergstraße, aus einer dieser Burgen stammte der Minnesänger Konrad von Bickenbach. Auf dessen Texte  bin ich besonders gespannt.


Ein gelungenes Buch. Ich empfehle es gerne. 

Helga König


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