Dieses Blog durchsuchen

Rezension: Anklage - Markus Schollmeyer

Dem Klappentext dieses hervorragenden, überaus spannend zu lesenden Buches, dass ich vor allem Jurastudenten ans Herz lege, allerdings nicht nur diesen, kann man entnehmen, dass der Autor Markus Schollmeyer Rechtswissenschaften in Los Angeles, Hamburg und München studiert hat. Er arbeitet als Anwalt und betreibt neben seiner rechtlichen Arbeit Gerechtigkeitsforschung.

In seinem Buch berichtet er von einem jungen Anwalt, der mit viel Idealismus nach seinem Studium in einer großen Kanzlei zu arbeiten beginnt. Noch glaubt er an sich, noch ist er hungrig nach Gerechtigkeit. Schon bei seinem ersten Fall, bei dem es um vielfachen Kindesmissbrauch geht, überwindet er seine Ideale, weil er in erster Linie siegen möchte. Der Sieg erhöht seinen Bekanntheitsgrad, vergrößert damit auch die Chance irgendwann einmal Teilhaber in der Kanzlei zu werden. Als er den Prozess tatsächlich gewinnt, geht sein Stern in der Kanzlei auf.

Schollmeyer beschreibt den Fall des Kindesmissbrauchs und auch weitere Fälle, wie etwa den eines Menschenhändlers, dessen Interessen der junge Anwalt ebenfalls vertritt, sehr präzise und verdeutlicht, dass Mandanten, die über große materielle Möglichkeiten verfügen, sich stets erstklassige Verteidigung kaufen können, egal, was sie getan haben und dass in Großkanzleien die Gerechtigkeit schon seit langer Zeit dem schnöden Mammon gewichen ist, (vgl,: S.26).

Der Autor erklärt Einzelheiten bei Gericht, verdeutlicht, worin die tägliche Arbeit von Anwälten besteht und zeigt immer wieder die Feigheit der Menschen und ihre Gier, die dazu führt, dass die Gerechtigkeit mit Füßen getreten wird.

Ein Headhunter vermittelt den erfolgreichen jungen Anwalt in eine andere renommierte Kanzlei. Dort allerdings erlebt er im Wesentlichen nichts anderes als zuvor. Es geht immer um Geld und ein gut zahlendes Klientel. Die Klienten werden nach ihrer Liquididät ausgesucht, nicht danach, ob ihnen Unrecht geschehen ist, von dem man sie befreien möchte. Die hohe Honorarrechnung steht im Vordergrund. Eine Kanzlei ist ein Wirtschaftsunternehmen und funktioniert nach den Gesetzen der Wirtschaft. Es geht also darum, den größtmöglichen Gewinn zu erzielen. Moralische Skrupel hat kaum jemand dabei.

Der junge Anwalt in Schollmeyers Geschichte ist erschüttert als er feststellt, wie die Kanzlei bei einer Betriebsstillegung reagiert, wen sie zu vertreten bereit ist und wen nicht. Es kommt der Zeitpunkt, wo für ihn das Maß voll ist und wo er den Sprung in die Selbstständigkeit wagen will. Er fragt sich eines Abends: "Bist du das? Derjenige, der sich früher mit Professoren und überhaupt jedem angelegt hat, wenn ihm etwas unrecht erschien? Derjenige, der aus Berufung Anwalt wurde? Oder bist du nur noch das Zerrbild dieses Anwalts? Derjenige, der zu feige und schwach ist, sich gegen den Druck des Geldes zu wehren? Derjenige, der den Mut und damit sich selbst verloren hat? Und sich aufgibt und sich nicht traut, sein Leben mit seinen Idealen zu leben."(Zitat: Seite 170).

Wie sich in der Folge zeigt, ist es fast aussichtslos, den steinigen Weg eines idealistischen Anwalts zu gehen und sich fernzuhalten von dem Sog der gutdotierten, aus Sicht dieses Anwalts verwerflichen Mandate, von Geschachere um Strafminderung und von der Annährung an gebräuchliche, jedoch fragwürdigen Methoden, (vgl.: S. 215). Wird dieser junge engagierte Anwalt es schaffen, einen Platz zu finden, an dem man für die Menschen und die Menschlichkeit arbeitet, nicht nur für Geld? Wird er es schaffen "die in unserer Zeit herrschende unsägliche Gier"(Zitat: S. 221) vor der Tür zu lassen?

Ein dicht geschriebenes, wirklich großartiges Buch, von dem ich hoffe, dass es auf dem Gabentisch vieler Leser liegen wird.
Das rezensierte Produkt ist überall im Handel erhältlich.

Rezension: Die Heimkehr (Gebundene Ausgabe)

Peter Debauer, der Protagonist in Schlinks jüngstem Roman, begibt sich auf Spurensuche.
Will Debauer zu Anfang noch den Autor eines Heftchenromans , den er als Heranwachsender bei seinen Großeltern in der Schweiz gelesen hat, finden, sucht er schon bald darauf nach seinem tot geglaubten Vater, als er bemerkt, dass es sich um ein und diesselbe Person handelt.


Peter lebt von Kindheit an rückwärtsgewandt, weil er seine Wurzeln nicht wirklich kennt. Seine Mutter läßt ihn in vielem im Ungewissen und erzählt Halbwahrheiten, um ihn zu schonen. Schweizer Herkunft ist Peters Vater. Seine Mutter hatte ihn einst während der NS-Zeit in Breslau kennengelernt.


Wie Peter eruiert, hat Debauer senior im Laufe seines Lebens viele Identitäten angenommen. Den Nazis stand er nahe. Er schrieb damals Traktate, in denen Begriffe wie Ritterlichkeit sophistisch in ihr Gegenteil verkehrt und für ideologische Zwecke missbraucht wurden. Rechtswissenschaften hatte der alte Debauer in Deutschland studiert und mit Heftchenromanen sich über Wasser gehalten, bevor er in die USA ging und dort unter anderem Namen als Juraprofessor Karriere machte. Frau und Kind besorgte er zum Abschied einen Schweizer Pass.


Peter, selbst Jurist, will seinen Vater kennen lernen und ihn stellen. Der rechtschaffene Sohn ist empört über das chamäleonartige Wesen seines Vaters und auch aufgebracht darüber, dass dieser als Professor es spitzfindig immer noch schafft, Begriffe unentdeckt zu verbiegen, indem er ihnen wortverdreherisch einen neuen , völlig fragwürdigen Inhalt zuordnet.


Worin liegt der Nutzen von Gerechtigkeit? Bei wieviel Kälte, Hunger, Druck, Angst ist der Lack der Zivilisation ab? Ab wann verraten sich die Menschen? Was ist das Böse? Muss man dem Bösen ins Auge schauen, um es in sich selbst und in anderen zu erkennen? Hat das Böse im vergangenen Jahrhundert aufgehört zu existieren oder lebt es fort solange es Menschen gibt? Das sind die Fragen mit denen sich Peter auf der Suche nach der gedanklichen Ausrichtung seines Vaters auseinandersetzt. Während er die Antworten auf diese Fragen findet, beginnt der stets rastlose Sucher ruhiger zu werden.


Um wirklich heimzukehren, muss man eine Reise, die auch ein intellektueller Prozess sein kann, tatsächlich abgeschlossen haben. Das macht Barbara, Peters kluge Freundin, ihm immer wieder klar. Während Barbara ihm hilft sein ungeklärtes Gestern aufzuhellen und es Peter in diesem Zusammenhang gelingt, essentielle ethische Problemstellungen gedanklich zu durchforsten, ermöglicht er es sich zu der Frau, die er liebt, uneingeschränkt heimzukehren, ganz anders als Odysseus einst zu Penelope.



Rezension:Die Fabrikanten. Roman einer Familie (Gebundene Ausgabe)

Lis Kahn, die Ich- Erzählerin, ist Tochter aus einer weit verzweigten Unternehmerdynastie, die sich über Generationen mit der Verarbeitung von Holz beschäftigt. Damit der, zum Erzählzeitpunkt marode Betrieb eine Überlebenschance erhält, bricht Lis ihr Studium unmittelbar vor ihrem Examen ab, trennt sich von ihrer großen Liebe und übernimmt einen Teil der Schulden ihres Vaters, um fortan eine nicht sonderlich florierende Buchhandlung auf dem familiären Betriebsgelände, irgendwo im Schwarzwald zu betreiben.
Mit dieser selbstlosen Entscheidung befindet sie sich in guter Gesellschaft mit vielen anderen weiblichen Familienmitgliedern. So gab es u.a. eine talentierte Malerin, auch eine hervorragende Pianistin und eine Vorfahrin mit politischen Ambitionen, die sich dem Familiendiktat zu fügen hatten. Trotz sachkundig seelischer Betreuung seitens ihrer besten Freundin Emma, einer Psychologin, gelingt es Lis nicht, sich dem elterlichen Wunsch - zurück in den Schwarzwald zu gehen - zu entziehen und dies, obgleich sie als Tochter im Grunde nicht die erste Wahl verkörpert. Der eigentliche Favorit ihrer Eltern bleibt ihr Bruder Lazi, der "Stammhalter"! All zu sehr hat man Lis immer wieder eingetrichert, bloßes Glied einer Kette zu sein. Wird die junge Frau sich von ihrer Familie emanzipieren können?
Der Leser erfährt von der langen Geschichte des Kahn- Clans, der im Floßhandel Reichtum erwarb, später holzverarbeitend tätig wurde und es dann lange blieb. Konjunkturelle Schwankungen, Fehlentscheidungen, Höhen und Tiefen innerhalb der Firma werden immer wieder skizziert und machen Wirtschaftsgeschichte greifbar.
Außerdem wird von den lukrativen Erfindungen gesprochen, wie etwa dem Bierdeckel oder viel früher noch vom sogenannten "Nachttopfuntersetzer".
Wann ist "la Fortune perdu"? Gibt es diesbezüglich einen Zusammenhang zum wirklich persönlichen Wollen? Was bedeutet der Begriff "Segen"? Wodurch entsteht diese vielbeschworene Gnade? Welche Chance haben Familienunternehmen in einer Zeit, in der Familien im herkömmlichen Sinne sich aufzulösen beginnen? Das sind die Fragen, die Sybille Mulot in ihrem Roman anreisst, oder die sich aus ihm ableiten lassen.
Ein großartiger Roman, der sich kundig mit gesellschaftlichen Gepflogenheiten zu Zeiten unterschiedlicher Epochen auseinandersetzt und vergnügliche Lesestunden bereitet.





Empfehlenswert!