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Rezension: Lach, wenn du weise bist - Ein literarischer Streifzug von Homer bis Beckett- Lesebuch

Dieses Lesebuch  ist in zwei große Teile gegliedert: Der erste Teil befasst sich mit komischen Konflikten, der zweite mit den Theorien des Lachens.

Die komischen Konflikte sind untergliedert in:

Vorhang auf! Spaßmacher, Spötter und Spielmänner
Himmlisches Gelächter
Am Anfang scherzte das Weib
Verspottete Spötter
Witz als Waffe
"Wenn`s der Wahrheitsfindung dient?" Weise Narren
Närrische Diener- lächerlicher Herr
"Ich bin Carlini" Von der Tagik der Komik
Gelächter am Abgrund
"Nicht durch Zorn, sondern tötet man."

Dieser Teil des Lesebuchs enthält Textstellen  von Hippokrates, Lukian, Apuleius, Dario Fo, Homer, Platon,  Jean de la Fontaine, Johann Peter Hebel, Giovanni Boccaccio, Sebastian Brant, Erasmus von Rotterdam, William Shakespeare, Miguel de Cervantes, Grimmelshausen, Molière, Denis Diderot, Baudelaire, Friedrich Nietzsche und vielen anderen.

Der zweite Teil, "Theorien des Lachens" beinhaltet sehr erhellende Textstellen von Platon, René Decartes, Immanuel Kant, Friedrich Nietzsche, Friedrich Georg Jünger, Franz Kafka und Max Horkheimer sowie Theodor W. Adorno u.a.m.

Das Nachwort der Herausgeberin  Laetia Rimpau ist überaus aufschlussreich im Hinblick auf die Konzeption des Buches, das literarische Texte der europäischen Lachkultur vorstellt.  Diese reicht zurück bis in die Antike. Es geht um die Fragen: "Wann oder worüber lachen die Protagonisten in Romanen oder in Theaterstücken?", " Wann und warum bricht in einem Gedicht oder in einer Novelle in der  Gesellschaft  Gelächter aus?" und "Was genau ist unter Spot, Komik oder Witz zu verstehen?" (Zitat: S. 308)

Die Herausgeberin konstatiert, dass es in den vorgestellten Texten selten lustig zugeht. Das kann ich soweit bestätigen. Friedrich Nietzsche  stellt in "Herkunft des Komischen" fest, dass man den Übergang aus momentaner Angst in kurz dauernden Übermuth als das Komische bezeichnet und erklärt weiter, dass  im Phänomen des Tragischen der Mensch rasch aus großem, dauernden Übermuth in  große Angst überwechselt. Weil unter Sterblichen der dauernde Übermuth weitaus seltener als der Anlass zur Angst ist, gäbe es mehr Komisches  als Tragisches in dieser Welt, lache man auch häufiger, als dass man erschüttert sei, (vgl.: S. 282).

Friedrich Georg Jünger meint, dass alles Komische aus einem Konflikt hervorgehe, und ohne diese nichts Komisches denkbar sei. Immer nur dann, wenn uns der Konflikt bewusst wird, sind wir in der Lage das Komische wahrzunehmen. Dort, wo die Zustände unstreitig sind, könne sich nichts Komisches ergeben. Weil der Konflikt seinem Begriffe nach Bewegung voraussetzt, findet man lt. Jünger in aller Komik ein Verhältnis von Bewegung und Gegenbewegung. Fest stünde, dass das Komische mit dem Tragischen den Ursprung im Konflikt gemeinsam hat, (vgl.: S.293).

Viele Intellektuelle  haben im Lachen ein Laster begriffen. Dario Fo schreibt: "Das Misstrauen gegenüber dem Lachen und der Komik ist ein allgemeines Problem. Es ist eine Haltung der offiziellen und akademischen Kultur. Viele von denen, die Machtpositionen erreichen, neigen zu akademischen Haltungen, in dem sie ihre Gehirne mit gewichtiger Ernsthaftigkeit auspolstern. Angesichts eines Komikers reagieren sie dann nur noch mit athrosischer Blockade der Kiefermuskeln", (vgl.: S.309).  Diese Beobachtung habe ich auch gemacht und habe es stets so gedeutet, dass solche Personen all zu sehr in einer Rolle verhaftet sind und es ihnen an wirklicher Intellektualität mangelt, für die eine heitere, entspannte Grundstimmung m.E. sehr förderlich ist.

Liest man Max Horkheimer und Theodor Adorno  findet man u.a. einen Gedanken, den ich hier zitieren möchte, weil er etwas Wesentliches zum Ausdruck bringt: "Das Teuflische des falschen Lachens liegt eben darin, dass es selbst das beste, Versöhnung zwingend parodiert." (Zitat. Seite. 304).  Das falsche Lachen der Vergnügungsindustrie wird  zum Instrument des Betrugs am Glück, so die beiden Herren, den man  nur beipflichten kann.

Die Griechen stritten über Sinn und Unsinn des Lachens. Während akademische Philosophen die Possenreißer in die Komödie verbannen möchten, betrachteten Kyniker wie Diogenes von Sinope das Lachen als Welthaltung.  Scherzen und Lachen war von Beginn an auch weiblich, das zeigen Texte, wie  "Sara, du hast gelacht" aus der Genesis, oder auch Platons "Die spottende Thrakerin".  Die Herausgeberin lässt den Leser wissen, dass die griechische und römische Antike den Lachgott kannte, dem zu Ehren öffentliche Feste abgehalten wurden. Davon berichtet Apuleius in seinen "Metamorphosen". Allerdings setze sich im Übergang zum Christentum das Lachverbot durch. Nun wird in der christlichen Morallehre das Lachen von der Bühne verbannt. Auf welche Weise das heitere Lachen aus der Literatur verdrängt wurde, wird in Umberto Eccos Roman "Im Name der Rose" sehr anschaulich verdeutlicht.

Die im Buch vorgestellten Texte muten wie ein Spaziergang durch die Lachgeschichte an. Gequältes Lachen und laute Lachkrämpfe deuten nicht auf Entspanntsein hin. Mir gefällt, was Dario Fo sagt: "Die Macht, und zwar jede Macht, fürchtet nichts mehr als das Lachen, das Lächeln und den Spott. Sie sind ein Anzeichen für kritischen Sinn, Phantasie, Intelligenz und das Gegenteil von Fanatismus." ( Zitat: S.318)

Empfehlenswert.


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