Der in Genf geborene Schriftsteller Daniel de Roulet hat einen Brief an eine japanische Freundin geschrieben, die er vor einem Jahr zum Kirschblütenfest in Tokio besuchte. Er schreibt Kayoko aus Anteilnahme aufgrund der Ereignisse in Fukushima. Er möchte wissen, wie es der Freundin geht, wie sie und die fünfunddreißig Millionen Hauptstadtbewohner auf das Ereignis reagieren. Der Autor ahnt bereits, dass Kayoko die Gefahren herunterspielen wird, weiß dass die japanische Mentalität eine Einmischung seitens Nicht-Japaner in ihre Angelegenheiten von je her nicht mochte. Dass die "Angelegenheit Fukushima" unser aller Angelegenheit ist, will man nicht zur Kenntnis nehmen. Auch Mitleid wegen des Gräuels von Hiroshima wird von Japanern nicht akzeptiert. Japaner scheinen sich in ihrem Leid einzuigeln und es als Schwäche zu begreifen, wenn sie sich für Tröstungen öffnen.
De Roulet lässt den Leser wissen, dass "Fukushima" eigentlich "Insel des Glücks" bedeute. Eine neue Zeit ist angebrochen, der Name klingt nun wie bitterer Zynismus. Für den Autor gibt es eine Parallele zwischen den Konzentrationslagern der Nazis und den Kernkraftwerken, die auch ich sehe. Er schreibt an einer Stelle: "Von diesen allzu perfekten Maschinen" und meint damit die gigantischen Reaktoren,"erfasst mich das gleiche Gefühl der Maßlosigkeit, von menschlichem Wahnsinn, das ich in Sachsenhausen, in Dachau, in Ausschwitz erlebt habe." Stimmt.
Er hat Recht, wenn er an anderer Stelle weiterschreibt:"Wir sind in die Falle gelaufen, haben an einem System mitgewirkt, von dem wir wussten, dass es den grausamen Tod bringen wird und hatten nur phasenweise den Mut, für unsere Ideale zu kämpfen," weiß um unsere Gleichgültigkeit gegenüber dem Gang der Welt und unserem technologischen Opportunismus und benennt diese Gegebenheiten in einer Weise, aus der Ohnmachtsgefühle sprechen.
Sein Brief ist Selbstreflexion, die sich einem Gegenüber mitteilen will, von dem er weiß, dass sich nicht öffnen wird für den Inhalt der Zeilen.
Auf den letzten Seiten kann man eine Chronologie der Ereignisse im Kernkraftwerk Fukushima lesen und aufgrund dieser Fakten den Brief auf sich wirken lassen. Sich mit Tatsachen zu befassen und ihnen ins Auge zu sehen, kann bedeuten, dass man seine Ohnmachtsgefühle auf eine solche Weise zu überwinden vermag. Das gilt nicht nur für Kayogo, sondern für uns alle.
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