Rainer Nickel stellt in diesem Buch die Griechen Äsop, Aischylos, Archilochos, Aristophanes, Aristoteles, Demosthenes, Epikur, Euripides, Herodot, Hesiod, Hippokrates, Homer, Kallimachos, Menander, Pindar, Platon, Plutarch, Sappho, Sophokles, Theokrit, Thukydides und Xenophon vor.
Zu jeder der genannten Personen werden der Name, die Lebensdaten, die literarische Gattung, in der sie sich bewegten und die Werke eingangs aufgelistet. Anschließend erfährt man, wer die jeweilige Person war, was sie schrieb und wie die Werke der einzelnen Literaten überliefert wurden. In welcher Weise die jeweiligen Werke fort lebten und was von ihnen geblieben ist, wird auch immer genannt. Schön, dass man Gelegenheit erhält, sich in übersetzte Textstellen zu vertiefen.
Sehr anschaulich wird erklärt, wie in Athen bei den Festen zu Ehren des Gottes Dionysos im Rahmen eines Wettstreites Tragödien, Komödien und Satyrspiele aufgeführt wurden. Auch erhält man gute Einblicke in einzelne Werke. So erfährt man, dass im Prolog der "Lysistrate" von Aristophanes sich die Protagonistin und andere Frauen unterschiedlicher griechischer Städte und Landschaften getroffen haben, um eine Friedensinitiative zu beraten. Die Frauen vereinbaren, ihren Männern den Geschlechtsverkehr zu verweigern, bis diese bereit sind, Frieden zu schließen.., (vgl.: S. 32). Interessant zu wissen, dass dieses Stück in einer für Athen kritischen Situation während eines Krieges aufgeführt wurde. Damals war die Demokratie außer Kraft gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt herrschte eine Notstandregierung. Obschon das Stück mit den außen- und innenpolitischen Umständen jener Tage in Zusammenhang steht, ist es jedoch aus sich heraus verständlich, da nicht der "Peleponnesische Krieg" allein, sondern der Krieg als solches das Thema ist, (vgl.: S. 33).
Beeindruckt bin ich von der hervorragenden Zusammenfassung der Werke Aristioteles. Dem Autor ist es gelungen auf wenigen Seiten dem Leser das Denken dieses großen Philosophen nahe zu bringen und seine ethischen Betrachtungen gut verständlich zu erläutern. Kein einfaches Unterfangen.
Mir gefällt, dass man folgenden Gedanken von Aristoteles, der am Anfang seiner "Methaphysik" zu lesen ist, zitiert hat: "Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen.. Das ist erkennbar daran, dass sie die Sinneswahrnehmungen besonders hoch achten; denn diese werden auch unabhängig von ihrem Nutzen hoch geschätzt und vor anderen besonders die Sehkraft. Denn nicht nur, um zu handeln, sondern auch, wenn wir nichts zu tun vorhaben, geben wir dem Sehen von allen Sinneswahrnehmungen gewissermaßen den Vorzug. Der Grund dafür liegt darin, dass uns diese Sinneswahrnehmung am meisten dazu befähigt, Erkenntnis zu gewinnen und erschließt zudem viele Unterschiede." (Zitat: S. 47)
Gerade im Zeitalter der Internetkommunikation sollte man diesen Gedanken von Aristoteles, sich erneut vor Augen führen. Vielleicht bewirkt im Dialog mit einem Dritten die Tatsache, dass man diesen nicht sehen kann, erhebliche Fehleinschätzungen des Gegenübers und leider auch Spannungen in virtuell geführten Gesprächen.
Epikur, zu dessen Texten ich eine Rezension geschrieben habe, wird sehr gut skizziert.
Im Rahmen der Euripides-Betrachtungen wird man bestens mit dessen "Iphigenie in Aulis" vertraut gemacht. Es werden die Motive des Autors dargelegt, weshalb er das Werk verfasste. Wie man liest, wollte Euripides in erster Linie die Entscheidungssituation des Heerführers Agamemnon in ihrer Unentrinnbarkeit und Grausamkeit bewusst machen, (vgl: S.70).
Sehr gut wird man über Leben und Werk von Hippokrates unterrichtet. Mir war nicht bekannt, dass er eine solch große Anzahl von Schriften verfasst hat. Seine ältesten und bedeutendsten werden im Buch erwähnt und es wird kurz erklärt, worum es in den einzelnen Texten geht. "Der Eid des Hippokrates" kann man in einer Übersetzung von Hans Diller nachlesen, (vgl: S. 91).
Homer und seine Werke "Illias" und "Odysee" lernt man auch kennen und erfährt in diesem Zusammenhang , was man unter dem daktylischen Hexameter zu verstehen hat. Interessant zu lesen, was May Horkheimer und Theordor W. Adorno in ihrer "Dialektik der Aufklärung" in Bezug auf Homers Odysseus gesagt haben, (vgl.: S. 101).
Es ist unmöglich über alle 22 Autoren, die im Buch beleuchtet werden, an dieser Stelle etwas zu schreiben. Der von mir besonders geschätzte Platon und seine Werke werden beeindruckend differenziert dem Leser nahe gebracht. Vergessen wird nicht die Erläuterung des "Höhlengleichnisses", da man sich immer wieder in seinem Erkenntniswert bewusst machen sollte. Das "Symposion" ist übrigens hervorragend zusammengefasst, auch der Dialog "Phaidon" ist gut dargestellt.
Das Denken in Ideen ist ein wesentliches Element der platonischen Philosophie. Nach Platons Vorstellung hat der Mensch per se ein Wissen von den "Begriffen" und "Gestalten". Dieses Wissen hat zur Folge, dass man in der Vielheit der Erscheinungen Unterschiede wahrnehmen kann. Dies hängt damit zusammen, dass die Seele in ihrer Präexistenz die "Idee" der "Gleichheit" zu erkennen und denken gelernt hat, (vgl.S 128).
Hocherfreut bin ich, dass der von mir geliebte Plutarch einer der 22 im Buch angeführten Autoren ist und dass man seiner "Moralia" ein Augenmerk geschenkt hat. In seinen "Doppelbiographien" zielt Plutarch auf das Private, Persönliche, Alltägliche und Unspektakuläre ab. Sein Programm der "Synanthropie", der Bereitschaft, als Mensch unter Menschen zu leben, beschreibt eine Eigenschaft, die die moderne Entwicklungspsychologie als "Wir-Intentionalität zu gemeinsamem Handeln" bezeichnet und das als das konstituierende Merkmal des Menschen betrachtet wird, ( vgl:S. 138). In einer globalisierten Welt ist Plutarch demnach so aktuell wie vor fast 2000 Jahren.
Einen guten Überblick erhält man erhält man im Hnblick auf die Werke von Sophokles, speziell zu "Antigone" und "König Ödipus".
Über die Lyrikerin Sappho erfährt man u.a., dass sie ihre Gedichte im äolischen Dialekt verfasste und ihre Verse in neun Büchern in der Bibliothek von Alexandria gesammelt wurden. Man lernt Gedichtsfragmente kennen u.a. jenes, in dem sie die körperlichen Symptome der Leidenschaft thematisiert. "... Denn wenn ich dich nur kurz ansehe, bringe ich keinen Laut mehr heraus, meine Zunge hat mich im Stich gelassen, sofort rieselt mir ein zart brennendes Feuer unter die Haut,..", (vgl.: S. 143).
Liest man das Gedichtsfragment, so wird klar, dass sich nicht ändert unter Gottes Sonne, hauptsächlich das Gefühlsleben von uns Menschen nicht.
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