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Rezension:«Sire, ich eile ...»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (Gebundene Ausgabe)

"Alles was du sagst, sollte wahr sein. Aber nicht alles was wahr ist, solltest du auch sagen." (Voltaire),

Hans Joachim Schädlich schenkt mit seiner Novelle "Sire, ich eile" seinen Lesern einen spannenden Leseabend, indem er nicht nur die Beziehung zwischen dem französischen Philosophen Voltaire und dem preußischen König Friedrich II. jeglicher Verklärung entzieht, sondern der Geliebten Voltaires, der schönen Intellektuellen Émile du Chatelet, ein ihr angemessenes Denkmal setzt.

Natürlich ist es kein Fehler im Vorfeld zur Novelle, etwas über die beiden berühmten Herren gelesen zu haben, am besten zwei Biographien, dazu noch den berühmten Briefwechsel. Aber auch ohne solche Vorinformationen wird sehr schnell klar, dass es zwischen diesem freiheitsliebenden Philosophen und dem machtorientierten preußischen König ein letztes Verständnis nicht geben konnte.

Gefallen hat mir, wie Schädlich den Spannungsbogen aufbaut und wie Friedrich zunächst um die intellektuelle Gunst Voltaires buhlt, natürlich keineswegs uneigennützig. Machtmenschen sind bekanntermaßen nicht in der Lage, uneigennützige Freundschaften zu schließen. Das Leben ist für sie ein Schachbrett, auf dem alle Figuren ihren Platz haben und entsprechend eingesetzt werden. Die Figuren haben kein Mitspracherecht, auch nicht, wenn sie Voltaire heißen.

Der Franzose ist von Anfang an skeptisch und schreibt am 16.12. 1740 "Der König von Preußen hält sich für einen ziemlich zivilisierten Mann, doch unter der dünnen Außenhaut des Ästheten liegt...die Seele eines Schlachters." (Zitat: S. 55). Dass Voltaire mit dieser Analyse Recht behielt, zeigt der Verlauf der Geschichte.

Ich werde mich hüten, die 141 Seiten umfassende Novelle hier nachzuerzählen. Man erfährt dort natürlich auch von Voltaires Schriften und davon, dass sein Freiheitsverlangen und Fortschrittsglaube der Kirche und den Staatsautoritäten selbst in Frankreich nicht angemessen erschien. Man liest von der großen Liebe zwischen ihm und Émilie, einer Frau, die die Schriften von Leibnitz und Newton las und physikalische Experimente unternahm und lt. Schädlich eine Vorläuferin von Albert Einstein war. Kant schrieb im Hinblick auf diese offenbar sehr schöne Frau: "Der Vorzug des Verstandes und der Wissenschaft setzt sie über alle übrigen ihres Geschlechtes und auch über einen großen Theil des anderen hinweg."(Zitat: S. 27). Dass diese hochintelligente, analytisch sehr befähigte Frau, die wahren Beweggründe Friedrichs zur Freundschaft mit Voltaire sehr früh schon erahnte, wundert mich nicht.


In der Novelle werden die tatsächlichen Beweggründe Friedrichs im Hinblick auf Voltaire sehr gut herausgearbeitet und man staunt keineswegs, dass Friedrich seinen "Grammatiker" Voltaire nur eine Zeitlang mit der "königlichen Samtpfote" streichelte, jene Samtpfote, die wie Schädlich so treffend bemerkt, eine Tigertatze war, deren Hieb auch Voltaire zerschmettern konnte.

Zerschmettert hat Friedrich Voltaire letztlich nicht, doch mithin stellte sich alles anders dar als Voltaire aufgrund der brieflichen Umwerbungen des preußischen Königs im Vorfeld hat hoffen dürfen. Aber lesen Sie bitte selbst....

Am Ende der Novelle wartet der Autor mit umfangreichem Quellenmaterial auf und dokumentiert damit, dass er seinen Lesern nichts vom "Pferd" erzählt hat, was aber keineswegs heißen soll, dass Schädlich sich die Sentenz Voltaires, die Sie der Kopfzeile meiner Rezension entnehmen können, beim Schreiben nicht in ihrer Gesamtheit zu Herzen genommen hat.

Empfehlenswert.
 
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