Einer der besten zeitgenössischen Schriftsteller Frankreichs, Michel Houellebecq, er wurde bereits mit dem angesehensten Buchpreis ausgezeichnet, den die "Grande Nation" verleiht, nämlich dem "Prix Goncourt", hat in seinem neuen Roman "Unterwerfung" wieder einmal die aktuellen Probleme unserer Zeit in seiner ureigenen Erzählweise angesprochen. Dabei handelt es sich um die kulturellen Auseinandersetzungen, die schon seit einigen Jahren Frankreich erschüttern. Begonnen hat alles mit den Unruhen in den tristen "Banlieues", also den Vorstädten von Paris und anderen großen Städten, wo muslimische Jugendliche auf ihre persönliche Ausweglosigkeit mit Gewaltexzessen antworteten.
Dieses Szenario hat Houellebecq weiter entwickelt, indem er eine fiktive politische Situation aufzeichnet, wie sie in naher Zukunft sich darstellen könnte. Die zwei großen Parteien auf der rechten und linken Seite des politischen Spektrums, also Konservative und Linke haben sich verschlissen, die größten Chancen bei der bevorstehenden Präsidentenwahl haben der Kandidat der Muslimbruderschaft und Marine LePen vom Front National.
Houellebecqs Protagonist Francois, ein Hochschullehrer für Literatur, der über das Leben und die Arbeit des dekadenten Schriftsteller Huysmans forscht und lehrt, erlebt direkt den Machtkampf um das französische Präsidentenamt, wobei zwei extreme Anschauungen aufeinanderprallen, die des ultrarechten Front National und die der Muslimbruderschaft mit seinem islamischen Fundamentalismus.
Im Zuge der Wahl kommt es zu Ausschreitungen, als klar wird, dass der Kandidat der Muslime sich berechtigte Hoffnungen machen kann, die Präsidentschaft zu gewinnen. Frankreich steht am Rande eines Bürgerkrieges. Obwohl dies verhindert werden konnte, kommt es nach dem Wahlsieg der Bruderschaft zu totalen gesellschaftlichen Veränderungen, die alle Bereiche des öffentlichen Lebens erfassen.
Auch Francois ist unmittelbar betroffen, als ihm nahegelegt wird, seine Lehrtätigkeit einzustellen, um in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen, da seine Thematik im Sinne des Islam nicht erwünscht ist. Ausgestattet mit einer üppigen Pension macht er sich auf den Weg Frankreich in Richtung Spanien zu verlassen.
Michel Houellebecq wäre nicht Michel Houellebecq wenn sein Roman "Unterwerfung" nicht wie seine früheren Werke sich durch eine gehörige Portion Provokation, gepaart mit Ironie, einer möglichen Vision und durch eine schonungslose Sprache auszeichnen würde. Wie alle seine früheren Akteure ist auch Francois vom Leben enttäuscht, geradezu angewidert, da helfen auch seine permanenten sexuellen Wechselbeziehungen zu seinen Studentinnen nichts.
Doch dies ist nur der äußere Rahmen den Houllebecq stets wählt um eine tiefere Problemwelt aufzuzeigen. In "Unterwerfung" sieht der Autor einen Machtkampf der Kulturen heraufziehen und er scheut sich nicht den Ausgang dieser Auseinandersetzung zu thematisieren. Als gesellschaftlicher Vordenker hat Houellebecq es immer verstanden zu polarisieren, ohne Rücksicht auf seine eigene Person. Es ist schon irgendwie schicksalshaft, dass das Erscheinungsdatum zu seinem neuen Roman "Unterwerfung" unmittelbar mit dem Attentat auf die Macher des Satiremagazins "Charlie Hebdo" zusammenfällt, wird dadurch doch die Fiktion des Buches durch die Realität eingeholt.
So brutal die realen Ereignisse sich darstellen, so schonungslos ist auch die Sprache, die für Houellebecq so typisch ist. Ungeschminkter Realismus, tabulos und direkt, damit tritt der Autor an seine Leser heran. Für viele mag das abstoßend sein, aber hierin liegen die große Stärke und die unverkennbare Einzigartigkeit des Schriftstellers Houellebecq.
Das Spannungsfeld zwischen dem Sinn des Lebens und einer permanenten Sinnlosigkeit, hierauf versteht sich Houellebecq meisterlich. Hinzu kommt eine große Intellektualität, die dem Leser ständig eigene Fragen stellt, unabhängig von der politisch gesellschaftlichen Entwicklung, wie sie der Roman zeigt. "Unterwerfung" von Michel Houellebecq, erschienen im Dumont-Verlag ist ein bedeutendes Buch, das durch seine Aktualität einen intellektuellen Beitrag zur jetzigen Situation in der europäischen Gesellschaft leistet. Darüber hinaus zeigt es einen großartigen Houellebecq, der verdeutlicht welchen außergewöhnlichen Rang er in der französischen und europäischen Literatur einnimmt.
Sehr empfehlenswert
Peter J. König
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