Der Schweizer Autor #Peter_Stamm hat mit "Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt" im vergangenen Jahr seinen 6. Roman vorgelegt und den "Schweizer Buchpreis 2018" dafür erhalten.
Stilistisch ist der Text so beeindruckend, dass die Romanhandlung für den Leser (m/w) beinahe an Bedeutung verliert, es sei denn, er setzt sich gerne mit philosophischen Fragen auseinander.
Wie sehr sind wir in unseren Entscheidungen durch unseren Charakter, unsere Erziehung und unsere Erfahrungen tatsächlich geprägt? Könnte man, wenn man im Leben eine 2. Chance erhielte und dann andere Entscheidungen träfe, andere Fehler machte, zu einem anderen Schicksal gelangen? Oder bringen ein bestimmter Charakter, unsere Erziehung als auch unsere spezifischen Erfahrungen letztlich immer ein analoges Schicksal hervor? Vor allem, ist ein bestimmter Schicksalsverlauf notwendig, um der zu werden, als der man gedacht ist? Beispielsweise als ein Schriftsteller wie im Falle des Protagonisten Christoph und seines jüngeren, Doppelgängers Chris?
Ich möchte die teilweise - in meinen Augen- etwas verwirrende Romanhandlung nicht nacherzählen. Erinnert hat sie mich vom Grundgedanken her an das Drehbuch zum Tatortkrimi "Murmeltier" mit Ulrich Tukur, der jetzt im Februar 2019 bei ARD gerade ausgestrahlt wurde. Interessanterweise blieb auch hier der Protagonist trotz diverser Handlungsmöglichkeiten, letztlich der, als der er gedacht ist: Als ein Vorzeige-Kommissar, der aufgrund seines Wesens, in der Lage ist, perfekt einen Fall zu lösen.
Ein Schriftsteller benötigt "jahrelanges Bemühen" und "ewiges Scheitern", weil diese ihm zum Erfolg verhelfen, das weiß Christoph und erzählt in seinen Selbstreflektionen auch von seinen persönlichen Erfahrungen. Er überlegt zudem, weshalb er überhaupt zu schreiben begonnen hat und vermutet: "Vielleicht hatte ich deshalb zu schreiben begonnen, um die Landschaft, die Sicherheit meiner Kindheit wiederzugewinnen, aus der ich mich selbst vertrieben hatte".
In diesem Satz outet sich Christoph als ein verunsicherter Mensch. Verunsicherung und Zweifel sind Notwendigkeiten, um über die Sinnhaftigkeit des Lebens, auch des eigenen, nachzudenken und Geschehenes eventuell zu verstehen. Alles deutet darauf hin, dass die Verunsicherung nicht die Ursache war, sondern nur eine der vielen Geburtshelfer für das, als das er gedacht ist.
Man erlebt, indem man mit Christoph durch seine Vergangenheit streift, auch seine unglückliche, aber genau so notwendig verlaufende Liebensgeschichte mit Magdalena, erlebt, ferner in der Parallelgeschichte, die junge Lena, die im Hinblick auf die Bestimmung von Chris, ebenfalls "nur" ein hilfreiches Mittel für die Geburt und Entwicklung eines Schriftstellers ist. Dabei sind es in beiden Fällen keineswegs die Männer, die die Frauen bewusst zweckentfremden, sondern das Schicksalsprogramm, das im Hintergrund abläuft.
"Glück macht keine guten Geschichten" lässt Peter Stamm seinen Protagonisten äußern. Deshalb auch dürfen entscheidende Liebesgeschichten eines Schriftstellers letztlich nicht positiv verlaufen, tun sie es doch, ist im Schriftsteller keine Sehnsucht mehr vorhanden. Diese ist aber notwendig, um etwas wirklich Überzeugendes zu Papier zu bringen. Bereits Goethe hat besagtes Phänomen gekannt. "Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß wie ich leide..."(oder im Klartext: ...weiß, warum ich schreibe).
Doch lesen Sie selbst. Gute Romane lassen viele Interpretationen zu...
Maximal empfehlenswert
Helga König
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Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt: Roman
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