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Rezension: Die wir liebten-Willi Achten- Piper


Willi Achten, der Autor dieses Romans, lebt im niederländischen Vaals bei Aachen. 

Das Handlungsgeschehen von "Die wir liebten" umfasst die Jahre zwischen 1971- 1976. 

Protagonisten sind die Geschwister Edgar und Roman. 

Edgar, der Ich-Erzähler, wartet mit der packenden Geschichte einer unverbrüchlichen Geschwisterliebe und dem gemeinsamen Ausbruch aus der Provinz auf, in der damals die braune Vergangenheit noch alles andere als aufgearbeitet war. 

Die Gründe für den Ausbruch, der zugleich ein Aufbruch ist, werden im Roman sehr komplex dargestellt, begleitet von Musikstücken, die den Zeitgeist der damaligen, unangepassten Jugend für immer begreifbar machen. 

Die beiden Buben wachsen im Haus ihrer Eltern auf. Dort leben zudem die Großmutter und Tante Mia, deren Bäckereibetrieb vom Vater der beiden Söhne übernommen wurde. Die Ehefrau des Bäckermeisters und Mutter von Edgar und Roman betreibt eine Lottoannahmestelle und ist damit finanziell unabhängig, was der Autor mehrfach betont, wohl deshalb, weil dies zur damaligen Zeit noch nicht unbedingt üblich war. 

Das Familienidyll bröckelt als der Vater sich in die Tierärztin des Ortes verliebt und sich von seiner Frau distanziert. Diese verfällt dadurch immer mehr dem Alkohol, weil sie ihren Kummer verdrängt und mit der Situation nicht zurechtkommt. Sie gehört der Generation an, bei denen Verdrängen zum fatalen Lebensprinzip geworden ist. 

Verlassene Ehefrauen waren zu jener Zeit immer noch gesellschaftlich stigmatisiert, gleichgültig ob sie den Ehebruch des Mannes durch ihr Verhalten forciert hatten oder nicht. Die Stigmatisierung auszuhalten, erforderte viel Kraft, oft zu viel, um das eigene Leben darüberhinaus noch zu meistern. 

Die vergreiste Tante Mia und auch die krebskranke Großmutter sind den Sittenwächtern aus der Nazizeit, es gab sie -zwar äußerlich reingewaschen (Persilschein)- immer noch, ebenso ein Dorn im Auge, wie die zerrüttete Ehe der Eltern. Solche Sündenböcke sind bis heute ein gefundenes Fressen für  Blockwarte aller Art, die  nicht auszusterben scheinen.

Die beiden Jungs mit guten Herzen, - sich selbst überlassen-, landen ihrer Streiche wegen schließlich in einem nahe gelegenen Erziehungsheim, wo sie auf den Grundlagen Schwarzer Pädagogik wie in der NS Zeit auf sadistische Weise abgerichtet werden sollen. 

Ganz allmählich erfährt man mehr über dieses Erziehungsheim, wo zu NS-Zeiten Kinder ermordet wurden, indem man ihnen zu Versuchszwecken Medikamente verabreichte. 

Die alten Kameraden trieben immer noch ihr Unwesen, deckten sich gegenseitig, während Edgar und Roman mancherlei Ungeheuerliches offenlegen, was sie nicht beliebter machte. "Der Bote der schlechten Nachricht…"

Der Schlüsselsatz des Werks lautet übrigens meines Erachtens: 

"Roman ist aus einem besonderen Stoff- dem Stoff, aus dem Widerspruchsgeist und so etwas wie Entschlossenheit und der Mut zur Wahrheit zu stehen. Als Kind hatte Roman geglaubt, unverwundbar zu sein und das Leben sei ein Spiel. Er und ich, wir erkannten lange nicht, welche Kräfte um uns herum wirkten. Kräfte, die uns das Dorf und die Eltern und alle, die wir liebten, nahmen.“ 

Wer so gestrickt ist, hat im Leben stets Probleme und verliert viele und vieles, die bzw. das er liebte. Bleibt festzuhalten: Angepasste Jasager gehen leichter durchs Leben, wenn auch mit krummem Rücken.

Maximal empfehlenswert.
Helga König

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