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Rezension:Am liebsten nach Süden: Unterwegs in Europa (Gebundene Ausgabe)

"Am liebsten im Süden" enthält Reiseerinnerungen der Schriftstellerin Sybille Bedford, die vor zwei Jahren im Alter von 94 Jahren in London verstorben ist. Sofern Leser die hervorragenden Romane Bedfords noch nicht kennen, es handelt sich hierbei um Milieustudien der Upperclass, werden sie dennoch bei der Lektüre dieses Buches sehr rasch feststellen, dass es sich bei dieser Schriftstellerin um eine hochgebildete, sehr kultivierte Intellektuelle handelte, die das "Savoir-vivre" zu schätzen wusste und als Weinkennerin wie auch Liebhaberin feiner Gaumengenüsse gerne im Kreise von Freunden das Leben genoss.

Bedford scheint den Dichter Arthur Rimbaud geschätzt zu haben, denn sie stellt ihren Reisereportagen ein Gedicht dieses Poeten voran. Ihre Erinnerungen beginnen mit einer Reportage aus dem Jahre 1948 und enden mit einem Reisebericht aus dem Jahre 1978. Interessant ist es auszuloten wie sich der Blickwinkel beim Reisen seitens dieser Dame im Laufe der Jahre verändert. 1948 auf Capri berichtet sie von ihrer Begegnung mit der Kriegsreporterin Martha Gellhorn. Von ihr ist sie begeistert, weil sie alle Eigenschaften einer Frau besitzt, die bei einem Betrachter das Gefühl hinterlassen unter einem "Tausendfünfhundert-Watt-Kronleuchter" (Zitat Bedford) zu stehen. Ihr Capri-Bericht steht letztlich noch unter dem Eindruck des 2. Weltkrieges.
Auch ihre Reise, die sie 1953 in die Schweiz unternimmt, zeigt nur verhaltene Lebenslust. Dies ändert sich allerdings einige Jahre später deutlich.

Sehr bemerkenswert sind ihre Reiseschilderungen aus dem Jahre 1961. Sie reist nach Frankreich sowie Italien und gibt der Reportage nicht grundlos den Titel "Die Kunst des Reisens". Für Bedford bedeutet Reisen zunächst einmal eine Auseinandersetzung des Ichs mit der Welt. Sie erläutert dezidiert, woraus diese Welt für sie besteht und was das Ich möchte. Die Schriftstellerin hat demnach eine konkrete Vorstellung von dem, was sie will, gleichwohl räumt sie ein, dass sie auch das Unerwartete finden möchte, das allerdings nicht irritieren darf. Reisen soll ein harmonischer und damit ein angenehmer Zustand sein. Sie reflektiert das Reisen in vorangegangen Zeiten und befasst sich mit dem Begriff des Komfort, der ihr nicht unwichtig ist, um in der Folge über die Hotels, Restaurants, das Essen und den Wein zu schreiben, den Dingen, denen bei ihrer damaligen Reise das Hauptaugenmerk galt.

Ihre lukullischen Betrachtungen in der Normandie habe ich mit großem Interesse gelesen, nicht zuletzt, weil ich Ende der 70er Jahre als Studentin durch die Normandie trampte und teilweise - obschon zwei Jahrzehnte vergangen waren - ähnliche Erfahrungen sammeln konnte. Sie schreibt über den Cidre und meint er begünstige eine grüblerische, mürrische, suizidale Form von Trunkenheit und ist skeptisch im Hinblick auf den normannischen Hang zur Butter und Sahne. Ihre Bedenken gipfeln in der These, dass Gefräßigkeit und Habgier oft an in Hand in Hand gehen. Eine wahrlich subtile Spitzzüngigkeit gegenüber den Bewohnern der Normandie. Sie reist vom Norden Frankreichs in den Süden, fährt weiter nach Italien, schreibt vom Wein und den landestypischen Speisen, um schließlich Rom und Florenz zu besingen. Die Portraitskizze Dänemarks im Jahre 1962 thematisiert Eigentümlichkeiten dieses Landes, hat die Architektur im Auge und geht der Frage nach, ob die Dänen schon immer ein friedliebendes Volk gewesen sind. Haben die Dänen religiöse Toleranz praktiziert?

Es ist unmöglich all die im Buch beschriebenen Reisen hier kurz zu skizzieren, allerdings möchte ich noch einige Worte zu der Reportage "La Vie de Chateau" sagen. Diese Reportage ist übrigens auch als Einzelband im Handel erhältlich. 1978 reist Sybille Bedford nach Bordeaux, um dort an einer Weinverkostung teilzunehmen. Sie verkostet bei Lafite und bei Chevalier: Latour, Margaux, Mouton..., die Premier Grand Crues der Region. Nicht unerwähnt lässt sie dabei, dass ihre wahre Liebe, dem Medoc, dem Graves, dem Pomerol und dem Sauterne gehört. Bedford hatte einen ausgereiften Weingeschmack, das lässt sich nicht bezweifeln. Das Buch ist ein Lese-Highlight für Menschen, die das schöne Leben lieben. Einen Satz der Grande Dame möchte ich zum Schluss zitieren, der mir besonders gut gefallen hat: "Venedig ist eine Stadt für das Auge, ein Ort ekstatischer Streifzüge, ein Ort des Begehrens."

Empfehlenswert.

PS: Die Übersetzung der Reisereportagen aus dem Englischen von Matthias Fienbork ist stilistisch ein Hochgenuss. Überzeugen Sie sich bitte selbst.

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