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Rezension:Die Maske (Gebundene Ausgabe)

Dass der mittlerweile 85 jährige Siegfried Lenz ein großartiger Erzähler ist, dokumentiert er erneut in seinen, in diesem Buch vorliegenden fünf Erzählungen.

Der Stil dieses Ostpreußen hält mich nach wie vor gefangen, denn beim Lesen spüre ich noch immer diese eigenwillige Magie, mittels welcher Lenz seine Leser zu bezaubern vermag.

Bereits die erste Erzählung "Rivalen" ließ mich nachdenklich zurück. Was will der Erzähler uns mit auf den Weg geben? Hat er eine Botschaft in diesem Text versteckt?

Es geht um die Gefühlslage eines nicht mehr jungen Museumswärters und um seine Verliebtheit in ein Gemälde, das eine sehr schöne Frau zeigt.

Der in seinem Leben bislang unbescholtene Mann nutzt eine Gelegenheit, das Gemälde in seinen Besitz zu bringen, nicht weil er sich den Wertgegenstand aneignen möchte, sondern weil er den Anblick dieser schönen Frau nicht verlieren will, denn es wurden gerade andere Gemälde aus dem Museum entwendet. Kann er sicher sein, dass mit diesem Gemälde nicht Analoges geschieht?

Detlev Krells heimliche Freude ist der Anblick dieser Frau. Dieser Anblick lässt ihn vielleicht für Momente am Tag wieder jung sein, gibt ihm Kraft, den Alltagstrott zu überstehen.

Was für Detlev Krell der Anblick der schönen Frau auf dem Gemälde ist, mag für uns der allmorgendliche Anblick eines hübschen Mannes oder eine ebenso hübschen Frau auf eine Litfaßsäule sein, die uns auf dem Weg zum Arbeitsplatz entgegenlachen, sprich etwas eigentlich Imaginäres, was dennoch Glücksgefühle hervorruft.

Krells Gattin, die von der Freude ihres Mannes beim Anblick der Frau erfährt, reagiert hochgradig eifersüchtig, weil sie sich mit dieser Frau zu vergleichen anschickt und schließlich aus der Eifersucht heraus, destruktiv zu agieren beginnt. Negative Handlungen solcher Art finden täglich viele Millionen Male statt und das seit Jahrtausenden bereits. Doch die Menschen lernen daraus nichts. Sie hören nicht auf, sich zu vergleichen. Sie hören auch nicht auf, ihrem geliebten Partner sogar harmlose Träume zu zerstören, wenn sie das Gefühl haben, dass sie nicht den Mittelpunkt dieser Träume verkörpern. Sie zerstören selbst solchen Träume, deren Inhalt dem Träumenden noch nicht einmal klar sind, weil die Träume sich, wie das mystische Avalon in Nebel hüllen, damit der Träumende sich vor sich selbst nicht rechtfertigen muss.

"Rivalen" ist eine wirklich gelungene Erzählung, die trotz des fiktiven Inhalts ganz nah an der Wirklichkeit angesiedelt ist und die leise Bitte enthält, dem Herzens-Du alle Träume einfach zu lassen als Zeichen dafür, dass man es wirklich liebt, vor allem aber dessen Gegenliebe nicht pausenlos infrage stellt.

In der zweiten Erzählung, sie trägt nicht grundlos den Titel die "Die Maske", berichtet der Ich-Erzähler, ein junger Student, der die Semesterferien bei seinem Großvater, einem Kneipenbesitzer auf einer Insel zubringt, von seinem Verliebtsein in eine hübsches Mädchen, namens Lene, die auf dieser Insel lebt. Es geht in besagter Erzählung nicht nur um die Liebe, sondern auch um Tiermasken, die aus einem Container eines Schiffes stammen. Unter diesen Masken verbergen die Gäste in der Kneipe vergnügt ihre Gesichter. Sie verhalten sich schlagartig anders und zwar so, wie sie vielleicht gerne sein würden, es sich aber nicht getrauen.

Authentisches Verhalten, das eigentlich das Ablegen von Masken erforderlich macht, ist in der Erzählung von Lenz erst möglich, nachdem man sein Antlitz hinter einer Maske versteckt. Wer sich schon länger im Internet aufhält, weiß um diese Dinge und hat Gelegenheit, das wahre Ich von Menschen in ihren Tarnkappen kennenzulernen. Nicht immer ist das wahre Ich liebenswert, besonders dann nicht, wenn es Kindheitsverletzungen nicht verarbeitet hat.

Dennoch, es scheitert stets alles, wenn man sich nicht zur Authentizität entschließt, speziell in der Liebe, die stets heilend wirken kann. Das wird in dieser Erzählung von Siegfried Lenz deutlich.

Auch die weiteren drei Erzählungen befassen sich mit Verhaltensmustern von Menschen. Es führt allerdings zu weit, jetzt dies hier alles auszubreiten. "Der Entwurf" hat mich übrigens besonders berührt. Hier geht es darum, Distanz zu sich selbst und seiner momentanen Situation zu gewinnen. Wohl dem, der die Gnade hat, ein begabter Schriftsteller zu sein......

Den Kernsatz der Erzählungen habe ich zum Ende der 5. Erzählung gefunden. Er lautet: "Das Schicksal verzichtet oft auf Kommentare, es begnügt sich damit zuzuschlagen", (Zitat: S.123). Vielleicht ist es die Aufgabe eines guten Erzählers, durch seine Erzählungen die Kommentare zu liefern. Siegfried Lenz kommentiert mitfühlend und deshalb lese ich ihn immer wieder gerne.

Empfehlenswert.

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