Claudio Magris hat im vergangenen Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten. In seinem neuen Roman lässt er die Ich-Erzählerin, die sich aus ungeklärten Gründen in einem Heim aufhält, von ihrer langjährigen Ehe mit einem Schriftsteller, den sie immer noch zu lieben vorgibt, berichten.
Mit ihrem Mann, offenbar ein kreativer Tausendsassa, den die Frauen lieben und der deren Avancen auch immer mal wieder erliegt, scheint sie über Jahre eine Art Symbiose eingegangen zu sein, die sie jetzt nicht mehr gewillt ist beizubehalten. Der Aufenthalt im Heim scheint sie gelehrt zu haben, dass ihr das Zusammenleben mit ihrem Gatten nicht gut tut. Sie möchte ihre Ruhe haben.
Die Heiminsassin berichtet, ohne zu klagen, wie sie stets das Leben ihres Gatten organisiert und ihn zu dem Mann gemacht habe, den die Frauen anschließend vergöttert haben. Neben den Alltäglichkeiten, um die sie sich generell gekümmert habe, sogar seine Kleidung habe sie ausgesucht, habe sie zudem seine Texte, sein " unleserliches Geschmiere....diese Klaue eines Neurotikers" abgetippt, Fehler korrigiert, kurzum seine Lektorin gespielt, damit er sich ganz in sein Schreiben vergraben konnte. Dass sie diesen Mann vollständig dominiert hat, sagt sie nicht.
Doch genau das ist meines Erachtens der Fall gewesen.
Ihr Mann möchte sie aus dem Heim zurückholen, aber sie möchte nicht mit ihm gehen, weil sie glaubt, dass er sie letztlich nur über die Vorgänge im Heim ausfragen möchte, um einen neuen Roman zu schreiben. Obgleich sie immer wieder betont, dass sie ihren Mann liebt, wird deutlich, dass ihr Groll ihm gegenüber die Liebe, wenn sie denn vorhanden ist, vollständig überdeckt. Man hört ihren langanhaltenden Schrei: ..." und wo bleibe ich?" in jedem von ihr artikulierten Wort. Im Grunde macht diese Frau ihren Mann dafür verantwortlich, dass sie ihr Leben nicht lebte, und neidet ihm seine Anerkennung. Sie schätzt ihre organisatorischen Fähigkeit höher ein als seine kreativen. Die Beziehung zerbricht daran, dass die beiden sich nicht auf gleicher Augenhöhe begegnet sind.
Claudio Magris will diesen Roman als eine neuzeitliche Version des alten Mythos von Orpheus und Eurydike verstanden wissen. Wie ich finde ist ihm die Version sehr gut gelungen, weil sie ein Problem in vielen Mann-Frau- Beziehungen aufzeigt. Eurydike kann den Hades erst verlassen, wenn sie gelernt hat, ihren eigenen Weg zu gehen, denn die Hölle findet immer im eigenen Kopf statt.
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