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Rezension: Ich blieb in Auschwitz-Aufzeichnungen eines Überlebenden-Eddy de Wind-Piper

Eddy de Wind (1916-1987), der Autor dieses Buches, war ein niederländischer Arzt jüdischer Herkunft, der die Hölle von Auschwitz überlebt und nach dem Krieg als Psychiater und Psychoanalytiker in seiner Heimat gearbeitet hat. Dabei hat die Behandlung von Patienten, die unter Kriegstraumata litten, den Schwerpunkt seiner Tätigkeit gebildet. 

Eddy de Wind, der gemeinsam mit seiner Frau Friedel 1943 nach Auschwitz verschleppt wurde, erzählt in seinen Aufzeichnungen, was er im Lager erlebte. Er dokumentiert dort die furchtbaren Geschehnisse unmittelbar nach Abzug der Deutschen in einer Kladde, wobei er seinen Erzähler Hans nennt, offenbar um auf diese Weise Abstand von dem täglichen Trauma zu gewinnen, das ihn an diesem horriblen Ort aufgrund des Erlebten befällt. Der Text des KZ-Häftlings wurde nicht verändert und blieb unberührt von sich wandelnden Erinnerungen oder Erkenntnissen. 

Die Nazischergen waren, wie man erfährt, morgens bösartig und abends brandgefährlich, denn dann waren sie zumeist betrunken. Was das real bedeutete, dokumentiert der Autor Seite für Seite. Für einen mitfühlenden Leser wird der Text zu einem Alptraum. Der Abgrund, in den man hier schaut, ist kaum auszuhalten. Das Buch an zwei Abenden zu lesen, ist deshalb unmöglich.

Die Erfahrung von Eddy de Wind: "Der Hang zur Grausamkeit, der bei jedem zivilisierten Menschen von klein und systematisch von der Umgebung und durch Erziehungsmaßnahmen unterdrückt wird, war im deutschen Volk bewusst entfesselt worden. Die nationalsozialistische Moral und der unvermeidliche Alkohol verwandelten die Menschen in Teufel."

Der Schlüsselsatz: "Der Nazi fällt ohne jede Rechtfertigung über wehrlose Opfer her." 

Ich möchte die im Buch aufgezeichneten Grausamkeiten hier nicht näher beschreiben, denn man wird mit so vielen Ungeheuerlichkeiten seitens der Nazischergen konfrontiert, dass man nicht aufhört, sich zu schämen, dass Menschen ihren Mitmenschen dergleichen antun können. 

Doch Auschwitz war, wie de Wind notiert, mehr als nur Quälerei in riesigem Maßstab. Mit seinen Fabriken und Minen sei es ein wichtiger Bestandteil der oberschlesischen Industrie gewesen. Die KZ-Häftlinge waren billige Arbeiter, bekamen keinen Lohn und aßen so gut wie nichts. Sobald sie ausgezehrt und der Gaskammer zum Opfer gefallen waren, "gab es in Europa noch genügend andere Juden und politische Gegner, die sie ersetzen konnten."

Man liest von der Angst und den Selektionen, der fortdauernden Brutalität. Wer die Niedertracht der Nazis anprangerte, hatte in Deutschland keine ruhige Minute mehr und im KZ ohnehin nicht. 

Bei der SS wusste man nie, woran man war, schreibt de Wind und berichtet von deren subtiler Gemeinheit. Sehr gut veranschaulicht er dies am Beispiel des Lagerarztes Mengele, dessen spontanes, fast menschliches Verhalten in einer Ausnahme verdeutlicht, dass er auch anders konnte. Dadurch aber wird erst erkennbar, wie bewusst verwerflich und niederträchtig dieser Satan tatsächlich gehandelt hat. 

Die Geschichte von Friedel und Hans zeigt, was schweres Leid mit einer Liebe machen kann und dass Rettung aus der Hölle nicht zwingend zur Rettung einer Liebe führt.

Zu viel Belastung, egal welcher Art, bewirkt, dass das zu viel Belastete zerbricht. Warum sollte dies in der Liebe anders sein?   

Sehr empfehlenswert, doch kaum auszuhalten. 

Helga König

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