Der Autor von "#Stella" ist der Journalist #Takis_Würger. Sein Roman basiert auf der Lebensgeschichte der Jüdin #Stella_Goldschlag, die, nachdem die Nazis sie gefoltert hatten und damit drohten ihre Eltern ins KZ zu schaffen, sich bereit erklärte, andere Juden zu denunzieren und damit dem Gas auszuliefern.
Dieses perfide Verfahren der Denunziation, weil man den Schmerz nicht mehr aushielt, wurde schon zu Zeiten der Hexenverbrennungen in Deutschland erfolgreich eingesetzt und führte dazu, dass immer mehr Frauen und Männer damals dem Feuer übergeben wurden und dort bei lebendigem Leibe qualvoll verbrannten. So wurden aus immer mehr Opfern Täter.
Dass die Nazis aus allen Zeiten die Schlechtigkeiten von Menschen abkupferten, ist jedem bekannt, der sich mit Geschichte befasst hat. Aus Opfern Täter zu machen, passte in ihr Programm der totalen Zerstörung des Humanitätsgedankens.
Der Leser wird Zeuge, was Stella angetan wird, durchlebt ihre Schmerzen und lernt auch den Folterer Stellas kennen, der ein typischer Vertreter der #Banalität_des_Bösen ist, über die die Philosophin #Hannah_Arendt einst einen wichtigen Aufklärungsbericht geschrieben hat.
Unterbrochen wird das Handlungsgeschehen stets durch Fallbeschreibungen von Personen, die durch Stellas Denunzierungen in die Hände der Nazis gelangten als auch von Aufzeichnungen über historische Ereignisse in einzelnen Monaten des Jahres 1942. Es war übrigens das Jahr als in München #Hans_Scholl und #Alexander_Schmorell die Widerstandsgruppe "#Weiße_Rose" gründeten und deutsche Polizisten alle männlichen Bewohner des Ortes #Lidice in Tschechien ermordeten sowie die Frauen und Kinder von dort in Konzentrationslager verschleppten.
Die Angst vor dem mörderischen Tun der Nazis schüchterte viele Menschen unterschiedlicher Gesinnung damals ein. Das wird in diesem Buch sehr gut aufgezeigt. So gab es denn auch Personen, die aus der Angst heraus plötzlich böse handelten. Stella war ein solcher Mensch.
Der Philosoph #Friedrich_Wilhelm_Nietzsche sagte einst "Drei Viertel alles Bösen, das in der Welt getan wird, geschieht aus Furchtsamkeit" und trifft genau damit den Punkt, in dem es auch in dem vorliegenden Roman meines Erachtens geht.
Nur wenige besitzen die Kraft, sich der Folter sehr lange auszusetzen und nicht viele gehen furchtlos in den Tod. Kann man ihnen deshalb einen Vorwurf machen? Natürlich sträubt sich in solchen Fällen bei jungen Menschen ganz besonders vehement der Überlebenstrieb, so auch bei der Protagonistin.
Stella ist kein Monster, auch wenn sie monströs handelt, sondern nach wie vor ein Opfer, das von den Nazis immer mehr in die Inhumanität getrieben wird, solange bis sie – ganz so wie im Stockholm- Syndrom beschrieben - sich mit ihren Peinigern irgendwann gemein macht und selbst als es - nach ihrem Denkmodus- nicht mehr nötig war zu denunzieren, weiter denunziert.
Das ethische Problem mit dem Stella konfrontiert wurde, konnte sie nicht lösen, weil jede Entscheidung, die sie hätte treffen können, zu Unrecht führte. Stella ist damit eine tragische Gestalt, die bis zum Schluss ein Opfer der Nazis bleibt. Diese haben sich ihrer Seele bemächtigt. Sie weiß es. Im Traum spricht sie das Wort "Seele" nicht grundlos aus und zwar in Jiddisch: "Neschume".
Takis Würger transportiert die ethische Problematik, mit der sich der Leser befassen soll, sehr geschickt über die Lektüre einer Liebesgeschichte, die ich nicht als seicht abtun möchte, sondern als gekonnten strategischen Kunstgriff, um auf das Buch mit schwerer Kost neugierig zu machen.
Der zurückhaltende Schweizer Großbürgersohn Friedrich verliebt sich in Berlin in Kristin, die sich ihm nicht sofort als Jüdin Stella outet und ist fasziniert von ihrer Lebenslust. Diese Lust am Feiern, am Champagnertrinken, am Tanzen und am Sex betäubt ihre Angst und ihren Schmerz ebenso wie es das Medikament, das sie deshalb einnimmt.
Der zurückhaltende Schweizer Großbürgersohn Friedrich verliebt sich in Berlin in Kristin, die sich ihm nicht sofort als Jüdin Stella outet und ist fasziniert von ihrer Lebenslust. Diese Lust am Feiern, am Champagnertrinken, am Tanzen und am Sex betäubt ihre Angst und ihren Schmerz ebenso wie es das Medikament, das sie deshalb einnimmt.
Sie schiebt auf diese Weise die bedrohliche Dauerrealität weg und lebt nur im Moment, in dem der ruhige, vornehme Friedrich ihr Ruhepol ist.
Dass die Frau, die die Vorlage für den Roman bildet, fünf Mal in ihrem Leben verheiratet war und schließlich in den 1990er Jahren in Freiburg Selbstmord begangen hat, wundert mich nicht. Stellas "Neschume" hat keine Ruhe gefunden bis das von den Nazis gepeinigte Opfer aus dem Fenster sprang.
Sehr empfehlenswert.
Helga König
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Stella