Dieses Buch erschien in 2005. Entdeckt habe ich es erst jetzt und mit ihm diesen begnadeten Autor, der wie kaum ein anderer weltläufig, spannend und eloquent zugleich zu schreiben vermag. Dass Andreas Altmann bereits 1991 den renommierten Egon-Erwin-Kisch-Preis erhielt, wundert mich nicht. Wer so gekonnt wie dieser Autor Pegasus zu reiten vermag, müsste im Grunde jährlich mit Preisen überhäuft werden. Was die Juroren daran hindern könnte, ist möglicherweise seine antibürgerliche Geisteshaltung.
Die Geschichten sind autobiographisch, teilt Altmann seinen Lesern im Vorwort mit. Das hätte ich nicht unbedingt wissen wollen, da ich beim Lesen aufgrund dieses Wissens ungewollt in die Position einer Voyeurin gedrängt bin. Nun gut, wenn schon Voyeurin, dann richtig...Deshalb habe ich, nachdem ich das Buch gelesen hatte, alle Fotos im Netz von Altmann angesehen und natürlich auch seine Homepage gelesen. Fazit: ich kaufe diesem Autor ab, dass er all das erlebt hat, was er in den Stories offenbart. Die wahren Abenteuer erlebt man bekanntermaßen im Kopf. Altmanns hochintelligenten Augen verraten mir, dass er bürgerliche Regeln spöttisch belächelt und nur das tut, was er in bestimmten Situationen für zielführend hält.
Sein Buch widmet er übrigens all jenen, "die ihr Recht auf ein eigenständiges, eigenwilliges Leben nicht verraten haben", (Zitat: S.: 12). Ob Altmann es mehr als eine Handvoll Personen gewidmet hat?
Es ist unmöglich, auf all seine Stories einzugehen. Aufgefallen ist mir schon nach wenigen Seiten, dass Altmann ein Verführer ist und als solcher lässt er seine Leser natürlich vermeintlich nah an sich heran. Aber wehe ein Leser rückt ihm zu sehr auf den Pelz, dann lernt er -das vermute ich- den in Harnisch gelegten Autor, der so charmant mit seiner Nacktheit kokettiert, kennen. Altmann ist mit allen Wassern gewaschen, ein provokanter Schelm.
Besonders gut gefallen hat mir die Story mit dem Titel "Celeste". Hier hat er sich in die Freundin eines anderen Mannes verliebt und versucht Celeste einem Casanova gleich zu erobern, die ihm allerdings immer wieder den Beischlaf verweigert und ihn dadurch zunächst mehr und mehr an sich bindet. Als sie sich endlich für ihn entscheidet, antwortet er mit Impotenz und muss sich von ihr abwenden. "Die Aussicht auf Liebe machte mich, wie unübersehbar, impotent, kraftlos, kaputt, "(Zitat: S.389). Bindung und seine Liebe zum Leben passen offenbar nicht zusammen.
Man liest von seiner Liebe zu Büchern, die er in Studienzeiten stahl, um sie besitzen zu können und sie mit Randnotizen zu füllen. Man erfährt wie diese Bücher ihm das Leben in seinem späteren Leben schwer machten. Dutzende von Umzügen und kostspielige Reparaturen der Bücher wollen dokumentieren, dass er sich der gestohlenen Bücher als würdig erweist und seine wunderbaren Reise-Stories relativieren schlussendlich eine Versicherungsbetrügereien. Irgendjemand muss die Weltreisen schließlich finanzieren....Wer mehr gibt als er nimmt, kann kein Verbrecher sein, so der wohl zugrunde liegende Gedanke, den ich nicht zu bewerten beabsichtige.
Altmanns Erfahrungen mit LDS- sie führten zu einem Horrortrip- eine weitere mit einem Homosexuellen sind sehr lesenswert. Der Autor hat vieles ausprobiert, um zu prüfen, was er für sich möchte und was nicht. Den meisten Menschen fehlt dazu der Mut, weil sie zu sehr in Konventionen verhaftet sind, um solche Testreihen vorzunehmen.
Sehr gut auch ist die Story "When a woman loves a man", in der er eine abgründige Beziehung einer Frau zu einem sehr geizigen, kleinkarierten Mann (also das Gegenteil von Altmann) beschreibt. Warum heißt der beschriebene Mann eigentlich A.?
Ich zitiere eine Passage, damit Sie einen Eindruck von Altmanns subtilem Schreibstil erhalten: "Als wir am Ende des ersten Jahres heirateten, war die Schamfrist vorüber. Jetzt spürte ich schlagartig, welch schier übermenschliche Kraft er investiert hatte, um den Teufel in sich zu bändigen, und welch erlösende Genugtuung er nun aus sich herausließ, was unaufhaltsam aus ihm heraus musste.
Ich denke nicht, dass irgendein Wesen auf unserem Breitengrad existiert, das auf radikalere und unvorhersehbarere Art als er versuchte, diesen Trieb nach materieller Keuschheit und unbedingter Entsagung auszuleben. Keiner wird mir glauben, wenn ich hier von dem uferlosen Reichtum der Phantasie, Raffinement und spektakulärem Sadomasochismus erzähle, mit dem A., dieser nun maßlos gewordene Geizkragen, sich anschickte, unser gemeinsames Leben einzurichten auf den Grundpfeilern der Buße, des Irrwitzes und den Ekstasen der Lächerlichkeit," (Zitat: S.123).
Liest man dieser Geschichte, muss man nicht lange nachdenken. Wer mag schon einen geizigen Piesepampel? Stattdessen wendet man sich lieber Männern zu, die - großzügig mit sich und anderen - Zeilen produzieren wie etwa jene: "Die Sprache ist eine edler Hure. Sie treibt es mit vielen. Hauptsache der Kunde weiß das Alphabet auswendig. Dreißig lausige Buchstaben verlangt sie, nicht mehr. Dann darf es ihr jeder besorgen, jeder sie schwängern. Dass hinterher eine Missgeburt zum Vorschein kommt, will die Schlampe nicht wahrhaben." (Zitat. S.: 131)... und was ist, wenn ein A. diese Zeilen geschrieben hat? Wer kennt schon das wahre Wesen eines anderen? Im Grunde doch niemand. Grenzgänger beispielsweise gibt es mehr als man glaubt.
Schön, dass Altmann sich immer wieder neu erfindet und sich erlaubt, in seiner Schreibwelt ein Mensch mit tausend sich wiedersprechenden Facetten zu sein. Für einen Schriftsteller ist die Schreibwelt meines Erachtens die wirklichste aller realen Welten.
Tolle Texte, die beim Lesen liberale Grundhaltungen auf den Prüfstand stellen.
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