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Rezension: Egon Friedell- Vom Schaltwerk der Gedanken- Essays

Dieser Essayband des Kosmopoliten jüdischer Herkunft Egon Friedell enthält Essays zu Geschichte, Philosophie, Religion, Theater und Literatur.


Von den mehr als 60 Essays habe ich mit besonderem Interesse Friedells Reflektionen zu "Anna Karenina" gelesen. Der Essayist macht darauf aufmerksam, dass Tolstoi uns in diesem Roman in die Elemente des mikroskopischen Sehens unterweist und dass dies der pädagogische Wert aller großen Kunstwerke sei, (vgl.: S.294). Ich gebe zu, dass ich darüber bislang noch nicht nachgedacht habe, jedoch blitzschnell literarische Kunstwerke vor meinem geistigen Auge diesbezüglich "abscannte" und feststellen musste, dass Friedell Recht hat. Speziell trifft es auf Werke Dostojewskis zu, wie ich meine, aber auch auf jene von Balzac und auf jene von Thomas Mann. Man denke an den "Tod in Venedig".

Die Betrachtungen zu "Das Bild des Dorian Gray" bringen es auf den Punkt. Es ist tatsächlich unbegreiflich, wie man finden konnte, das dieser Roman unmoralisch sei und es stimmt auch, dass ganz gleich ob man ihn als Autobiographie, als Erbauungsschrift, als Parabel und als Aphorismensammlung auffasst, man immer richtig liegt. Doch derjenige, der das Buch als prächtige Scharade begreift, wird wohl am besten erkannt haben, was das Buch wirklich ist, so Friedell und auch das ist wahr.

Beim Lesen des Buches ist mir aufgefallen, dass ich mir zunächst jene Essays vornahm, die sich mit meinen Lieblingen befassten, dazu gehören Voltaire, Wolfgang Amadeus Mozart, Goethe und Schiller, Honore de Balzac, Gustave Flaubert, Jean Rousseau, Ralph Waldo Emerson, die Maler der Renaissance, Shaw, Wilhelm Busch, Lichtenberg und Michel de Montaigne. Alle diese Essays fanden inhaltlich meine volle Zustimmung, jedoch auch die Essays, zu Personen, die ich wohl niemals favorisieren würde, wie beispielsweise Richard Wagner. Auch diesen Essay habe ich mit großem Genuss gelesen und das will etwas heißen. Die Lust an der Intellektualität des Textes von Friedell war größer als meine Abscheu vor Wagner.

Leider ist es inhaltlich unmöglich, auf all die 60 Essays einzugehen. Gefallen haben mir tatsächlich alle und zwar wegen ihrer Weltläufigkeit und hohen, durch nichts eingegrenzten Intellektualität.

Ich möchte an dieser Stelle ein paar Sätze aus dem Essay zitieren, die uns alle nachdenklich stimmen sollten: "Aller Nationalismus und Patriotismus enthält nämlich ein Element der Isolierung, des Hasses und mit Hass kann man weder malen noch denken noch dichten, noch überhaupt etwas schaffen. Künstler können nicht polemisieren, befeinden: Sie sind Verklärer und Rechtfertiger alles Lebens. Sie verstehen ja nur darum von der Welt und ihrem Lauf mehr als andere, weil sie sie lieber haben; sie können nur darum alle menschlichen Empfindungen nachgestalten, weil sie alle als berechtigt anerkennen. Der Hass ist niemals zeugungsfähig, sondern immer nur die Liebe." (Zitat: S. 289).

Dem ist nichts hinzuzufügen, vielleicht nur, dass den wahren Künstlern meine ganze Liebe gilt.

PS: Am Ende des Buches hat man Gelegenheit die wichtigsten Lebensdaten des 1878 geborenen und 1938 verstorbenen Intellektuellen nachzulesen und sich in einem acht Seiten langen Beitrag von Wolfgang Lorenz über Egon Friedell kundig zu machen, der nach dessen Meinung eines vor allem war: ein dramatischer Denker.
Empfehlenswert.

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Rezension:Die Maske (Gebundene Ausgabe)

Dass der mittlerweile 85 jährige Siegfried Lenz ein großartiger Erzähler ist, dokumentiert er erneut in seinen, in diesem Buch vorliegenden fünf Erzählungen.

Der Stil dieses Ostpreußen hält mich nach wie vor gefangen, denn beim Lesen spüre ich noch immer diese eigenwillige Magie, mittels welcher Lenz seine Leser zu bezaubern vermag.

Bereits die erste Erzählung "Rivalen" ließ mich nachdenklich zurück. Was will der Erzähler uns mit auf den Weg geben? Hat er eine Botschaft in diesem Text versteckt?

Es geht um die Gefühlslage eines nicht mehr jungen Museumswärters und um seine Verliebtheit in ein Gemälde, das eine sehr schöne Frau zeigt.

Der in seinem Leben bislang unbescholtene Mann nutzt eine Gelegenheit, das Gemälde in seinen Besitz zu bringen, nicht weil er sich den Wertgegenstand aneignen möchte, sondern weil er den Anblick dieser schönen Frau nicht verlieren will, denn es wurden gerade andere Gemälde aus dem Museum entwendet. Kann er sicher sein, dass mit diesem Gemälde nicht Analoges geschieht?

Detlev Krells heimliche Freude ist der Anblick dieser Frau. Dieser Anblick lässt ihn vielleicht für Momente am Tag wieder jung sein, gibt ihm Kraft, den Alltagstrott zu überstehen.

Was für Detlev Krell der Anblick der schönen Frau auf dem Gemälde ist, mag für uns der allmorgendliche Anblick eines hübschen Mannes oder eine ebenso hübschen Frau auf eine Litfaßsäule sein, die uns auf dem Weg zum Arbeitsplatz entgegenlachen, sprich etwas eigentlich Imaginäres, was dennoch Glücksgefühle hervorruft.

Krells Gattin, die von der Freude ihres Mannes beim Anblick der Frau erfährt, reagiert hochgradig eifersüchtig, weil sie sich mit dieser Frau zu vergleichen anschickt und schließlich aus der Eifersucht heraus, destruktiv zu agieren beginnt. Negative Handlungen solcher Art finden täglich viele Millionen Male statt und das seit Jahrtausenden bereits. Doch die Menschen lernen daraus nichts. Sie hören nicht auf, sich zu vergleichen. Sie hören auch nicht auf, ihrem geliebten Partner sogar harmlose Träume zu zerstören, wenn sie das Gefühl haben, dass sie nicht den Mittelpunkt dieser Träume verkörpern. Sie zerstören selbst solchen Träume, deren Inhalt dem Träumenden noch nicht einmal klar sind, weil die Träume sich, wie das mystische Avalon in Nebel hüllen, damit der Träumende sich vor sich selbst nicht rechtfertigen muss.

"Rivalen" ist eine wirklich gelungene Erzählung, die trotz des fiktiven Inhalts ganz nah an der Wirklichkeit angesiedelt ist und die leise Bitte enthält, dem Herzens-Du alle Träume einfach zu lassen als Zeichen dafür, dass man es wirklich liebt, vor allem aber dessen Gegenliebe nicht pausenlos infrage stellt.

In der zweiten Erzählung, sie trägt nicht grundlos den Titel die "Die Maske", berichtet der Ich-Erzähler, ein junger Student, der die Semesterferien bei seinem Großvater, einem Kneipenbesitzer auf einer Insel zubringt, von seinem Verliebtsein in eine hübsches Mädchen, namens Lene, die auf dieser Insel lebt. Es geht in besagter Erzählung nicht nur um die Liebe, sondern auch um Tiermasken, die aus einem Container eines Schiffes stammen. Unter diesen Masken verbergen die Gäste in der Kneipe vergnügt ihre Gesichter. Sie verhalten sich schlagartig anders und zwar so, wie sie vielleicht gerne sein würden, es sich aber nicht getrauen.

Authentisches Verhalten, das eigentlich das Ablegen von Masken erforderlich macht, ist in der Erzählung von Lenz erst möglich, nachdem man sein Antlitz hinter einer Maske versteckt. Wer sich schon länger im Internet aufhält, weiß um diese Dinge und hat Gelegenheit, das wahre Ich von Menschen in ihren Tarnkappen kennenzulernen. Nicht immer ist das wahre Ich liebenswert, besonders dann nicht, wenn es Kindheitsverletzungen nicht verarbeitet hat.

Dennoch, es scheitert stets alles, wenn man sich nicht zur Authentizität entschließt, speziell in der Liebe, die stets heilend wirken kann. Das wird in dieser Erzählung von Siegfried Lenz deutlich.

Auch die weiteren drei Erzählungen befassen sich mit Verhaltensmustern von Menschen. Es führt allerdings zu weit, jetzt dies hier alles auszubreiten. "Der Entwurf" hat mich übrigens besonders berührt. Hier geht es darum, Distanz zu sich selbst und seiner momentanen Situation zu gewinnen. Wohl dem, der die Gnade hat, ein begabter Schriftsteller zu sein......

Den Kernsatz der Erzählungen habe ich zum Ende der 5. Erzählung gefunden. Er lautet: "Das Schicksal verzichtet oft auf Kommentare, es begnügt sich damit zuzuschlagen", (Zitat: S.123). Vielleicht ist es die Aufgabe eines guten Erzählers, durch seine Erzählungen die Kommentare zu liefern. Siegfried Lenz kommentiert mitfühlend und deshalb lese ich ihn immer wieder gerne.

Empfehlenswert.

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Rezension:Ein abenteuerliches Herz: Ernst-Jünger-Lesebuch (Broschiert)

"Der Wein hat Europa stärker verändert als das Schwert. Immer noch gilt er als Medium kultischer Wandlungen."

(Zitat: Ernst Jünger, Seite 249 aus "Annäherungen. Drogen und Rausch")

Sofern Sie sich einen Überblick über die Literatur Ernst Jüngers verschaffen möchten, sollten Sie sich mit diesem Lesebuch auseinandersetzen, das Heinz Ludwig Arnold herausgegeben hat und zwar mit spannend zu lesenden persönlichen Erinnerungen an den Schriftsteller, die er den ausgewählten Texten voranstellt.

Man hat Gelegenheit sich mit vielen Texten Jüngers zu befassen, darunter auch "In Stahlgewittern", "Das Abenteuerliche Herz" in der Fassung von 1929 und 1938, "Auf den Marmorklippen" und die "Gläsernen Bienen".

Jüngers Denken finde ich in erster Linie subtil. Stilistisch ist er natürlich brillant. Das will ich an dieser Stelle an einem Beispiel deutlich machen: "Die weibliche Energie ist stärker, wenn auch weniger sichtbar, all die männliche. Sie ist durchdringend, minder sprunghaft, waltender. Sie ist biegsamer und doch härter als die berühmte Stahlklinge. Aber wie Stahl hat sie diese Tugend nicht von Anfang an besessen, sondern erworben, indem sie im kalten Bade geschreckt wurde."
(Zitat: S. 350, aus : "Eine gefährliche Begegnung").

Wir sehen also, Jünger schreibt nicht nur exzellent, sondern er war ein vortrefflicher Beobachter. Grund genug sich mit ihm zu befassen, auch wenn uns seine Beobachtungen "In Stahlgewittern" interpretatorische Magenschmerzen bereiten.

Empfehlenswert.

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Rezension:Gesten radikalen Willens (Broschiert)

Das vorliegende Buch enthält acht Essays der 2004 verstorbenen amerikanischen Intellektuellen Susan Sontag. Übersetzt wurden die Essays aus dem Amerikanischen von Jörg Trobitus. Das Nachwort hat Professor Münkler verfasst, der Politikwissenschaften an der Berliner Humboldt Universität lehrt.

Sontags politische Texte aus der zweiten Hälfte der 1960er Jahre sind, wie das Beispiel "Was Amerika geschieht" zeigt, von tiefer Enttäuschung geprägt. Wie man erfährt kritisiert die Intellektuelle die Welt und deren Verhältnisse auf eigene Faust. Sie kann sich, wie die Essays deutlich machen, weder auf die Rückendeckung philosophischer Systeme verlassen, noch will sie als Bestandteil einer größeren politischen Bewegung rubriziert und von dieser vereinnahmt werden.

Wer sich für das Denken der Intellektuellen in jenen Jahren interessiert, ist gut beraten Essays wie "Was in Amerika geschieht", "Die Fahrt nach Hanoi" oder auch die "Ästhetik des Schweigens" und all die anderen Essays im Buch zu lesen und lernt zu begreifen, was junge Menschen in jener Zeit umtrieb, auf die Straße zu gehen.
So liest man auf Seite 236 "Denn die amerikanische Macht ist vor allem von ihrem Ausmaß her unanständig. Doch zugleich beleidigt die Ausprägung des amerikanischen Lebens die Möglichkeit menschlichen Wachstums, und die Verunstaltung der amerikanischen Lebenswelt durch technischen Schnickschnack und Autos und Fernsehen und Fertigbauweise verroht die Sinne und macht aus den meisten graue Neurotiker und aus den besten von uns Geistesathleten und schrille Selbsttranszendierer."

Ich will nich unerwähnt lassen, dass Susan Sonntag kurz vor ihrem Tode den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt.

Empfehlenswert.

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