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Rezension:Isabel oder Der Duft der Liebe (Gebundene Ausgabe)

Der niederländische Schriftsteller Tomas Lieske hat mit " Isabel oder der Duft der Liebe " einen historischen Roman vorgelegt, der sowohl stilistisch als auch inhaltlich - ich denke nicht zuletzt an die subtilen psychologischen Charakterstudien - auf dem Niveau der historischen Romane Stefan Zweigs oder Lion Feuchtwangers angesiedelt ist. In meinen Augen handelt es bei diesem Buch um ein Meisterwerk, das von Christiane Kuby in einer geradezu poetischen Sprache ins Deutsche übersetzt worden ist.
Worum geht es?

Die Romanhandlung spielt im 16. Jahrhundert. Der Ich-Erzähler Marnix de Veer , dessen Hauptinteresse der Mathematik , Architektur und Mechanik gilt , ist Bürger der Stadt den Haag. Dort lernt er den 21 jährigen, zukünftigen König Philipp II von Spanien kennen. Philipp II (1527- 1598), Sohn von Kaiser Karl V regierte von 1556 bis zu seinem Tode die Großmacht Spanien. Verheiratet war er mit Maria von Portugal (gest. 1545), mit Maria I Tudor (gest. 1558) mit Elisabeth von Valois (gest.1568) und schließlich mit Anna von Österreich (gest. 1580). Über all diese Frauen erfährt man im Roman Näheres.

Felipe ( so die Schreibweise Philipps II im vorliegenden Roman) erbte von seinem Vater Spanien mit den Kolonien in Amerika, die Niederlande, Burgund, Mailand, Neapel, Sizilien und Sardinien. Der Niederländer Marnix de Veer tritt wegen seiner überragenden Kenntnisse in die Dienste Felipes und wird dessen loyalster Diener und Freund. Anfänglich stehen die Sterne ungünstig für eine tiefe Freundschaft, weil Felipe seinem Freund die Geliebte entzieht, und sie zu seiner Konkubine macht. Marnix braucht lange um seinen Groll auf Felipe zu dämpfen.

Es handelt sich bei dieser Frau um die Hofdame Isabel Osorio, die sich Felipes Begierden und Wünschen unterwirft und über Jahrzehnte mit ihm eine Sonderbeziehung pflegt, die über das normale Konkubinendasein hinausgeht. Marnix vergisst die zwölf Liebesnächte mit Isabel sein ganzes Leben nicht und hört nicht auf sich nach ihr zu sehnen, denn im Gegensatz zu allen anderen Frauen, die ihm zuvor begegneten, umgibt diese Frau der Duft der ewigen Liebe, durch den er an sie für immer gebunden sein wird......

De Veer analysiert Felipes generelle Verhaltensweise, anderen mit Interesse, Freundlichkeit und Liebe zu begegnen. Er weiß, dass dieser sich besagtes Handlungsmuster nicht aus Nächstenliebe zugelegt hat, sondern um im Gegenzug Aufmerksamkeit, Gehorsam und Liebe zu verlangen. Macht, so lässt Marnix die Leser wissen, bedeutete für Felipe die Möglichkeit, mit Millionen Untertanen in Kontakt zu treten. Deshalb hörte er stets zu, deshalb versuchte er, den anderen so gut wie möglich zu verstehen und immer dann, wenn es sich um eine junge Frau handelte mit ihr beizuschlafen. Marnix , der Freund des Königs vermutet, dass Filipe am liebsten mit all seinen Untertanen ins Bett gegangen wäre, um zu demonstrieren ( nicht zu beweisen), dass er ein guter König war.

Jemand, dem Felipe sein Ohr geliehen hatte, musste allerdings davon ausgehen, dass er irgendwann eine Gegenleistung einforderte. Der König verlangte letztlich immer Gehorsam, und sparte auch seinem Freund Marnix nicht aus. Diese Lektion lernte Marnix als der König ihm die schöne Isabel nahm. Felipe vergaß nie seine Macht zu zeigen und klare Grenzen zwischen sich uns allen anderen Menschen im Reich zu ziehen. Alles in allem war Felipe in den Augen de Veers sowohl im Körper als auch in der Seele ein Ritter aus längst vergangenen Zeiten, während Marnix aufgrund seines Habitus und seiner Bildung wohl eher einem Vertreter der Renaissance entsprach. Unabhängig von seinen ehelichen Verpflichtungen galt Philipp als aufregender, hinreißender, ausdauernder Liebhaber, der seine Bettgespielinnen immer auf den Gipfel der Lust führte, aber im Gegenzug den unausgesprochenen Auftrag erteilte ihn zu lieben und auf ewig seine Königswürde anzubeten. Mit einem Wort alles, was Felipe tat, diente seiner Machentfaltung.

De Veer berichtet auch von seinem eigenen Tun bei Hofe. Er hatte die Hauptverantwortung für die Bibliotheken und war zunächst Erzieher von Felipes missratenem Sohn Carlos, der in seiner Boshaftigkeit und Abgefeimtheit vortrefflich charakterisiert wird. Viel später wird er Erzieher von Felipes beiden Töchtern. Diese Aufgabe bereitet ihm viel Freude und entschädigt den zu diesem Zeitpunkt bereits betagten Mann für den Verlust Isabels vor langer Zeit.

Sehr gut werden die Intrigen bei Hofe fokussiert. Marnix weiß sich umgeben von Habsucht, Machtgier und Korruption. Auf Aufstiegschancen lauerten alle und bereichern wollten sich ebenfalls alle. Um ihre Ziele zu erreichen waren alle Hofleute bereit selbst die heiligsten Prinzipien zu verraten. Marnix erwähnt das listige Spiel des Schmeichelns und Stehlens auf allen Ebenen, auch thematisiert er die öffentliche Treue und den heimlichen Verrat, die liebkosende rechte und die zuschlagende linke Hand. Die drei Namen der Leidenschaft, die den spanischen Hofadel antrieb waren Geld, Macht und Gier.

De Veer kapselte sich gegen diese Umwelt ab, er war, wie er selbst resümiert zu feige dagegen anzugehen. Marnix begleitet Felipe dessen ganzes Leben hindurch und so man liest natürlich auch von den politischen Maßnahmen des Königs, aber auch seinen Ehen und erfährt schließlich nicht zuletzt den wahren Grund, weshalb Marnix seinem Freund das Zerschlagen des Bandes zwischen ihm und seiner großen Liebe vergeben konnte.....Felipe wird mit zunehmendem Alter von Malaria, Typhus, Gicht und der Ruhr geplagt und verbringt die letzten drei Lebensjahre qualvoll leidend in seinem Bett. Die Ausdünstungen im Zimmer sind kaum zu ertragen, doch Marnix , sein Freund verlässt ihn nicht.

Ein packend geschriebener, sehr dichter Roman. Ein gelungenes Sittengemälde der Gepflogenheiten am Hofe Philipps II . Sehr empfehlenswert.

Rezension: Am Hang- Markus Werner


Kann Hass eine Vorbedingung von Liebe sein? Diese und viele andere Fragen werden an einem Tisch in einem Restaurant im Tessin zwei Abende lang erörtert. Begegnet sind sich dort, offenbar rein zufällig, Thomas Clarin, ein junger Scheidungsanwalt und Thomas Loos, ein in die Jahre gekommener Altphilologe. 

Die beiden Herren führen einen hochinteressanten Dialog, der eine Vielzahl alltagsphilosophischer Problemkreise berührt. Vorrangiges Gesprächsthema allerdings sind Reflexionen über die Ehe, die Liebe, Seitensprünge, Verlassenheit und Tod. Die beiden Tischpartner vertreten in diversen Punkten sehr gegensätzliche Ansichten. Dies hängt nicht zuletzt mit den unterschiedlichen Lebenserfahrungen, über welche die Protagonisten immer wieder berichten, zusammen.


Während der offenkundig verwitwete Altphilologe das Hohelied der Minne anstimmt und die Achtung, damit wohl auch das bedingungslose Ja dem Du gegenüber, in den Vordergrund einer Beziehung stellt, ist Clarin von dererlei Vorstellungen überfordert. Er bevorzugt stattdessen lockere Beziehungen ohne Gefühlstiefe, ohne großes Engagement. Auf solche Weise, glaubt er, könne man Tragödien verhindern. Wie sich die beiden Standpunkte zueinander verhalten, was diese beiden gebildeten Herren umtreibt und möglicherweise verbindet, erschließt sich erst ganz allmählich auf den letzten Seiten dieses Buches.

Für den neugierigen Leser nur so viel: Einer der Schlüsselsätze dieses klugen, gleichwohl auch spannenden Romans ist meines Erachtens folgender: "Wenn Du einen Riesen siehst, so frage dich zuerst, ob es sich um den Schatten eines Zwerges handelt." Gewollte Maskarade, Vermummungskunst und schließlich Enttarnung sind die eingesetzten Mittel dieses wunderbaren Autoren, um zu zeigen, dass es nicht nur eine Wahrheit gibt und selten etwas so ist , wie es scheint.

Sehr empfehlenswert.

Helga König

Rezension:Mätressen, Kurtisanen und Geliebte - Ein Lesebuch

" Monsieur, ich kann in der Sache mit dem "Dictionnaire Encyclopédique" nichts unternehmen: man sagt, es gäbe in diesem Buch Lehrsätze, die im Widerspruch zur Religion und zur Autorität des Königs stehen. Wäre dem so, müßte man es verbrennen. Ist dies nicht der Fall, so müsste man den Verleumder verbrennen. Doch unglücklicherweise beschuldigen die Kirchenmänner Sie und wollen nicht unrecht haben. Ich weiß nicht, was ich von all dem halten soll, aber ich weiß, welche Partei ich ergreife; nämlich mich in keiner Weise einzumischen: die Priester sind gefährlich..." (Zitat: Briefbeginn des Briefes von Madame de Pompadour an Denis Diderot, 1754)


Dieses Lesebuch enthält ausgewählte Auszüge aus Texten von Dichtern, Schriftstellern und Briefeschreibern.

Besagte Textauszüge charakterisieren die Persönlichkeit von berühmten Mätressen, Kurtisanen und Geliebten auf subtile Weise.

Die Herausgeberin Bettina Hesse hat das Lesebuch in die Kapitel: "Verführer", "Wahlverwandschaften","Den Teufel im Leib" und "Schlimme Liebschaften" untergliedert.

Die Textstellen aus Frank Wedekinds "Der Verführer", Gustave Flauberts "Madame Bovary", einer Romanfigur, mit der ich nichts anfangen kann, aber auch eine sehr gut gewählte Textstelle aus Anton Tschechows "Die Dame mit dem Hündchen" sind mehr als nur zufriedenstellend gewählt. Das Gleiche gilt für Goethes "Wahlverwandschaften" und Theodor Fontanes "Effi Briest". Ich kenne nicht alle angeführten Werke, möchte sie hier auch nicht auflisten. Bei Leo Tolstois "Anna Karenina" hätte ich mich zu einer anderen Textstelle für die Charakterisierung des Wesens Annas entschieden, aber auch die gewählte ist o.k. und lässt das Wesen Annas gut erkennen. Bestens ausgesucht ist die Textstelle aus Zolas "Nana".

Es ist nicht einfach in Romanen genau den Punkt auszuloten, der dem unbedarften Leser den Charakter einer Romanfigur nahebringen könnte, besonders wenn die Persönlichkeit vielschichtig angelegt ist, wie beispielweise bei Anna Karenina.

Amüsiert habe ich den Auszug aus Clelands "Die Memoiren der Fanny Hill" gelesen. Dieses Buch, so musste ich mich erinnern, las ich mit meiner Schulfreundin Ingeborg während des Physikunterrichtes als 15 jährige unterm Tisch. Dass der Text Eingang in das Lesebuch fand, wundert mich jetzt doch. Das Textniveau lässt sich nicht mit Texten von Tolstoi und Flaubert oder Goethe vergleichen.

Völlig abgefahren liest sich der "Vertrag zwischen Sacher-Masoch und Wanda von Dunajew" von Leopold von Sacher-Masoch. Der Text beginnt mit "Mein Sklave! Die Bedingungen, unter welchen ich Sie als Sklave annehme und auf meinen Seiten dulde, sind folgende: Ganz bedingungsloses Aufgeben Ihres Selbst. Sie haben keinen Willen mehr außer mir. Sie sind in meinen Händen ein blindes Werkzeug, das ohne Widerrede alle meine Befehle vollzieht.....Sie dürfen weder Sohn, Bruder noch Freund sein, nichts als mein im Staub liegender Sklave......" Dr. Leopold Ritter von Sacher-Masoch unterschreibt den Vertrag, so viel nur.

Fragt man sich doch, ob dies die geheimen Wünsche akademischer Männer grundsätzlich sind und Sacher-Masoch gewissermaßen ein Sprachrohr für alle darstellt. Kann das sein? Irgendwie irrirtiert mich der Gedanke.

Lobend erwähnen möchte ich die Briefe von Madame Pompadour, die darin zeigt, dass sie eine sehr gebildete, hochintelligente Frau war. Besonders ihr Briefe an Voltaire, an de Montesquieu und Diderot zeigen das Format ihrer Persönlichkeit.

Unmöglich alle Textstellen zu nennen oder gar auf diese näher einzugehen. Alles in allem wurde eine gute Auswahl getroffen. Das Lesebuch empfehle ich insofern gerne.












Rezension: Diese Liebe: Roman (Gebundene Ausgabe)

Der italienische Schriftsteller Roberto Controneo erzählt die Geschichte von Anna und Edo.
Anna ist eine junge Lehrerin als sie Edo kennen lernt, er ein passionierter Fußballspieler mit intellektuellen Interessen. Zu Beginn des Romans ist Edo für Anna allerdings nur noch eine Traumfigur, die sie nicht aufzugeben bereit ist, weil sie Edo aus tiefstem Herzen liebt. Eines Nachts verschwindet er aus ihrem Wirkungskreis. Zu diesem Zeitpunkt leidet er an einer unerklärlichen Amnesie, die man in Rom in einem Krankenhaus behandeln möchte. Edo verlässt dieses Krankenhaus, ohne behandelt zu werden und taucht seitdem nicht mehr auf. Keiner kann sich sein Verschwinden erklären.

Anna und Edo betreiben bis zu dem Vorfall im Süden Italiens gemeinsam eine Buchhandlung und sind glücklich verheiratet. Aus ihrer Ehe gehen zwei Töchter hervor. Controneo beschreibt den innigen Alltag der beiden, die Nähe, Edos Vorliebe für Lyrik, an der er Anna teilhaben lässt, schließlich die Poesie ihres Zusammenlebens, ihre tiefe Verbundenheit, ihre Liebe. Edo lebt in jeder Zelle Annas und das ändert sich auch nicht als er aus ihrem Gesichtskreis verschwindet. In ihrem Herzen wohnt er bis zum Ende des Romans und darüber hinaus. Edo ist für Anna in all den Jahren seines Fortseins spürbar nah. Das Band zwischen den beiden hat nicht aufgehört zu existieren. Sie führt immer wieder innere Dialoge mit ihm.


Zweimal im Jahr wäscht sie seine Kleider und hofft auch nach 23 Jahren auf seine Rückkehr.
In all der Zeit möchten ihr nahe stehende Personen sie dazu zu überreden ein neues Leben zu beginnen, doch Anna ist zufrieden mit dem Zustand des Ausharrens, nicht zuletzt, weil sie die Hoffnung niemals aufgegeben hat und mit der Hoffnung ihre Liebe zu Edo nicht. Anna ist sich sicher, dass die Poesie zum Gedächtnis ihres Lebens wurde. Edo, ein Mann, der die Poesie so sehr liebte, ist ein Teil von ihr.

Wird Controneo dem Leser zum Ende des Romans eine Erklärung für Edos Verschwinden geben? Benötigt man eine solche Erklärung überhaupt?

Goethe sagt im Tasso: " Wir hoffen immer, und in allen Dingen ist es besser hoffen als verzweifeln." Anna bestätigt mit der Art, wie sie mit dem Verschwinden ihres geliebten Mannes umgeht, Goethes Aussage. Anna ist nicht unglücklich, nachdem Edo verschwindet, denn sie sieht in seinem Verschwinden nichts Endgültiges. Sie hofft. Diese Hoffnung verleiht ihr Lebensmut, den sie braucht um die Buchhandlung weiterzuführen und ihre Kinder großzuziehen. Die Hoffnung lässt sie nicht verzweifeln. Man kann nur um Tote trauern, nicht aber um Lebende. Das weiß Anna.


Ein nachdenklicher Roman, in einer schönen Sprache, voller Posie.


Rezensionen. Romane und Erzählungen (Gebundene Ausgabe)- Gautier

Das vorliegende Buch umfasst 1350 Seiten. Drei Monate habe ich daran gelesen und bedauere an dieser Stelle keine episch breit angelegte Rezension zu all den Romanen und Erzählungen Theophile Gautiers schreiben zu können, da dies eindeutig die begrenzte Seitenzahl einer Amazon - Rezension sprengen würde.

Der französische Schriftsteller und Kritiker Theophile Gautier (1811- 1872) wurde von Charles Baudelaire als " vollendeten Magier der französischen Literatur " bezeichnet.
Gautier ist überaus sprachgewaltig und verfügt über eine überbordende Phantasie. Seine phantastischen Erzählungen machen auch vor dem Okkulten nicht halt und fokussieren ferner die Schattenseiten der Seele. Stilistisch ist Gautier exzellent. Ihn zu lesen bereitet Freude.

Sein Roman " Mademoiselle de Maupin " (1835) verficht die Unabhängigkeit des Künstlers von Moral und Gesellschaft. Das Vorwort dazu ist die erste Programmschrift des " L `art pour L`art ". Dabei handelt es sich eigentlich um eine von V. Cousin stammende Formel für eine Kunsttheorie, die in Frankreich 1930- 1870 verbreitet war und am entschiedensten von Gautier vertreten wurden. Danach ist Kunst Selbstzweck, losgelöst von moralischen, politischen oder sonstigen außerkünstlerischen Zielsetzungen und wirkt durch ästhetische Gestaltung.
In Frankreich waren u.a. Flaubert, Baudelaire und Huysmanns Anhänger dieses Konzepts, in England O. Wilde und in Deutschland der Kreis um Stefan George. Das Konzept war mitbestimmend für viele nachfolgende künstlerische Richtungen, z. B. für den Symbolismus, den Formalismus und die Neuromantik.

Neben dem Vorwort von Prof. Dr. D. Oehler beinhaltete das Buch folgende Romane und Erzählungen des großen Meisters :
Das Nachtigallennest - Omphale. Eine Rokokogeschichte - Mademoiselle Maupin. Doppelliebe - Die verliebte Tote - Das Hündchen der Marquise - Die goldene Kette oder Der geteilte Liebhaber - Fortunio - Die Opiumpfeife- Eine Nacht mit Kleopatra - Das goldene Vlies - Der Mumienfuß - Der zwiefache Ritter - Die tausendundzweite Nacht - König Kaundaules - Der Klub der Haschischesser - Die unschuldigen Lüstlinge - Das Lusthaus am Wasser- Militona - Die vertauschten Paare - Das Kind mit den Schuhen aus Brot - Jeane und Jeanette - Arria Marcella - Avatar - Jettatura - Der Roman der Mumie- Kapitän Fracasse. Erster Band - Kapitän Fracasse . Zweiter Band - Spirita.


Damit Sie einen Eindruck von Gautiers Stil erhalten, zitiere ich die Anfangszeilen aus " Mademoiselle de Maupin ": " Du klagst, lieber Freund, über meine Schreibfaulheit.- Was könnte ich Dir denn schreiben, außer dass ich mich wohl befinde und Dir immer gleich zugetan bin? - Dieses sind nur Nachrichten, die Dir kaum überraschend sein dürften, und die bei meinem Alter und Deinen vorzüglichen Eigenschaften zu erwarten stehen, so dass es mir fast lächerlich vorkommt, ein elend Blatt Papier hundert Meilen weit reisen zu lassen, um nichts anderes zu künden. So viel ich auch nachdenke , nichts weiß ich zu erzählen, dass der Mitteilung wert wäre; mein Leben ist das einförmigste von der Welt und seine Öde scheint sich nicht aufhellen zu wollen....... "

Ich empfehle die Lektüre wärmstens.


Rezension:Bibliothek Arabischer Klassiker: 8 Bände (Gebundene Ausgabe)

Diese Kasette enthält acht Bänden arabischer Klassiker, hervorragend übersetzt von namhaften Wissenschaftlern, wie Prof. Dr. Gernot Rotte, Dr. Hartmut Fähnrich und Dr. Annemarie Schimmer:

Ibn Ishaq: "Das Leben des Propheten"

Abu L-Faradsch: "Und der Kalif beschenkte ihn reichlich"

Al-Qazwini: "Die Wunder des Himmels und der Erde"

Al-Hamadhani "Vernunft ist nichts als Narretei"

Ibn Challikan "Die Söhne der Zeit"

Ibn Dschubair: "Tagebuch eine Mekkapilgers"

Ibn Iyas: "Alltagsnotizen eines ägyptischen Bürgers"

Usama Ibn Mundquidh "Im Kampf gegen die Kreuzritterheere"


Ibn Iyas beschreibt sehr spannend in seinen "Alltagsnotizen eines ägyptischen Bürgers" den letzten Herrscher der Mameluken, mit dem die mehr als zweihundertfünfzigjährige Mameluken-Herrschaft über Ägypten und Sirien zu Beginn des 16. Jahrhundert zu Ende ging.

Lesenswert auch ist " Das Leben des Mohamed" von Ibn Ishaq, der im 8. Jahrhundert bereits über Mohammed berichtete, keineswegs in verklärter Art und Weise, sondern er zeigt, dass der Begründer des Islam ein irdisches Wesen war, das göttliche Botschaften verkündete. So liest man hier: "Als Gott seine Religion weiter verbreiten, seinen Propheten stärken und sein Versprechen ihm gegenüber einlösen wollte, machte sich Mohammed während der Wallfahrtszeit auf, um sich wie jedes Jahr bei dieser Gelegenheit den arabischen Stämmen anzubieten....."

Packend erzählt ist Ibn Munquidhs " Ein Leben im Kampf gegen Kreuzritter". Dieses Buch hat mich deshalb sehr interessiert, weil man hier einen anderen Blickwinkel auf die damaligen Geschehnisse erhält. Durch diesen Text bekommt man eine Vorstellung von der Mentalität, den Sitten und den Freuden und Nöten der muslimischen Ritter im 12. Jahrhundert und beginnt den Mythos der katholischen Kreuzritter zu relativieren.

Dschubair verdeutlicht in seinem " Tagebuch eines Mekkapilgers" wie die arabische Welt in ihren Zentren zu Zeiten der Kreuzzüge aussah. Sein Buch gilt als eine der berühmtesten Reisebeschreibungen des arabischen Mittelalters. Es war keinesfalls ungefährlich zur damaligen Zeit von Granada über Alexandria und Kairo nach Mekka zu reisen. Das wird bei der Lektüre dieses Buches deutlich.

Sehr beeindruckt hat mich das Werk " Und der Kalif beschenkte ihn reichlich". Hier erhält man einen sehr schönen Überblick über das arabische und frühislamische Leben und seine Sitten. Biographien, Anekdoten, Gedichte und Lieder bekannter Sänger, Poeten , Kalifen und Sklaven lassen ein Bild entstehen, das für den heutigen Leser
einer entrückten Traumwelt gleichkommt.

So liest man hier u.a. ein sehr schönes Gedicht von Abu L-Atahija (748-828 n.Chr.)

Das Leben lässt dich deinen Tod vergessen!
Du möchtest bleiben, hier, in dieser Welt.
Willst du dich ganz auf sie verlassen,
wo du doch siehst, wie jeder Bund in ihr zerfällt?!
Du hast dich auf das Leben, auf die ganze
Länge seiner Dauer eingestellt.
Siehst du nicht, dass auch die Eltern lebten
und dass der Tod sie jetzt schon längst umschlossen hält?
Sind sie dir denn etwa keine Warnung?
Glaubst du, dass der Tod sich dir nicht zugesellt?

Empfehlenswert.

Rezension:"Man muss über sich selbst schreiben": Erzählungen, Familienporträts, Essays (Gebundene Ausgabe)


Heute vor 100 Jahren wurde der 1994 verstorbene Schriftsteller, Historiker und Philosoph Golo Mann geboren. Er war einer der begabten Söhne des Nobelpreisträgers Thomas Mann. Dr. Tilmann Lahme, der Verfasser der jüngst veröffentlichen Golo-Mann-Biografie ist der Herausgeber des vorliegenden Buches, das Erzählungen, Familienporträts und Essays Golo Manns enthält. Lahme hat den Texten eine erhellende Einleitung vorangestellt, in welcher er den Erzähler Golo Mann erklärend näher bringt, sich zu dessen Familienbeziehungen äußert und schließlich den politisch hellwachen Schriftsteller im Deutschland nach 1945 fokussiert.


Das Nachwort stammt von Prof. Dr. Hans Martin Gauger, der bis 2000 an der Universität Freiburg Romanische Philologie lehrte und mit Golo Mann in regem Briefwechsel stand. Leider ist es unmöglich im Rahmen einer Amazon-Rezension auf alle im Buch enthaltenen Texte näher einzugehen. Die Novelle " Vom Leben des Studenten Raimund "(1928) ist ein Debüt. Es handelt sich hierbei um eine radikalautobiographische Erzählung, die eines der Lebensgeheimnisse Manns offenlegt. " Herr und Frau Lavalette. Eine Episode aus der napoleonischen Zeit " hingegen ist eine wahre Geschichte und zwar eine Fluchtgeschichte aus dem Frankreich der nachnapoleonischen Zeit, die locker und stringent zugleich erzählt ist. Nicht uninteressant. Allerdings haben mich die Familienporträts im Buch mehr angesprochen.


Über seine Schwester Erika schreibt er, dass sie kompromisslos und treffsicher in ihren Urteilen war. Man erfährt Einiges über ihr intellektuelles Tun, so z.B. über ihr Engagement im Cabaret " Die Pfeffermühle ", auch dass sie Gedichte schrieb, von denen Golo Mann schreibt, dass manche wahrhaft vollkommen waren.
Ferner kann man mancherlei über seinen Onkel Heinrich Mann, den Verfasser des berühmten Romans " Der Untertan " lesen. Heinrich Mann war materiell weniger erfolgreich als sein Bruder Thomas und wurde von diesem phasenweise geldlich unterstützt, entgegen anderer Gerüchte. Die Schwierigkeiten, die Heinrich Mann aufgrund seiner alkoholabhängigen, psychisch kranken Frau hatte, werden auch skizziert. Einfach hatte es Heinrich Mann wirklich nicht. Bewundernswert, dass er trotz dieses familiären Desasters noch kreativ arbeiten konnte !


Interessant ist die Charakterisierung seines Bruders Klaus Mann. Ihm ordnet er " herzlustigen Humor " zu. Ironie soll er kaum besessen haben und auch wenig Neigung zur Selbstkritik. G. Mann hält fest, dass sein Bruder Klaus die Welt und die Menschen schärfer beobachtete als sich selbst. Klaus Mann scheint im Gegensatz zu Golo von materiellen und anderen Zuwendungen Thomas Manns und den Vorzügen, den der Familienname mit sich brachte, reichlich Gebrauch gemacht haben. Diese Bemerkung G. Manns ist keineswegs von Neid durchdrungen, sondern einfach nur feststellend.


Klaus Manns Romane , seine Reisen quer durch den Kontinent und anderes mehr werden erwähnt und es werden sein Drogenmissbrauch, sein Kummer über die Politik sowie sein früher Suizid ausgelotet. Den Verstand seiner Mutter nennt Golo Mann "stark, extravertiert und praktisch." Der Sohn konstatiert: " Es mag paradox klingen, aber in vielem war sie intelligenter als Thomas Mann." Katja und Thomas Mann scheinen sich demnach ergänzt zu haben. Sehr gut porträtiert Golo Mann seinen Vater. Bedauernswert, dass man den Text an dieser Stelle nicht einer längeren Analyse unterziehen kann.

Von seinen politischen Essays möchte ich die Essays über John F. Kennedy und über Willy Brandt hervorheben. Golo Mann hält u.a. fest, dass Kennedy von Anfang an entschlossen war, die Nation zu neuen Anstrengungen und Wagnissen mitzureißen. Nun sollte Regieren wieder etwas anders sein als bloßes würdiges Regieren. " Dass Amerika in einem Lebenskampf lag, dass er , wie der Lebenskampf eines jungen, ehrgeizigen Bürgers, unter Opfern, mit Kühnheit und Phantasie geführt werden musste, war das Axiom, von dem er ausging. "


Wie sehen alles wiederholt sich. Nichts ist neu unter Gottes Sonne. Willy Brandts politische Größe würdigt Golo Mann, ohne dabei seine menschlichen Schwächen zu erwähnen." Je trüber, schwieriger, gefährdeter die Dinge in der Welt und in der Bundesrepublik wurde, desto trauriger wurde Brandt,..." Mann spricht von einem erschöpften, melancholischen Regierungschef, der am Ende seiner Regierungszeit fast nur noch Beobachter der Lage war und melancholisch-philosophisch kommentierte.

Ein interessantes Buch, mit vielen historischen und politischen Hintergrundinformationen und brillanten Porträts bedeutender Persönlichkeiten.

Rezension: Brief einer Unbekannten (Taschenbuch)


Der bekannte Romanschriftsteller R., ein offensichtlich sehr attraktiver Mann, erhält einen Brief von einer Unbekannten, die ihm auf diese Weise mitteilt, dass sie einen gemeinsamen Sohn hatten, der wenige Stunden bevor die Schreiberin die Zeilen verfasste, verstorben ist. Die namenlose Schreiberin sieht aufgrund des Todes ihres Kindes keinen Sinn mehr im Leben und plant ihren Selbstmord. Zuvor allerdings möchte sie R., den sie seit ihrer Kindheit angeblich liebt, von ihrem gemeinsamen Sohn, hauptsächlich wohl von sich selbst berichten, möchte, dass er sie vor ihrem Tod noch ein wenig kennenlernt, denn offenbar weiß er von der Mutter seines toten Sohnes nichts.


In den Augen der Schreiberin, die von großer Schönheit ist, war R. ein heißer, leichtlebiger, ganz dem Spiel und dem Abenteuer hingegebener Junge, der gleichwohl in seiner Kunst unerbittlich ernst, pflichtbewusst, unendlich belesen und gebildet war. Als 13 jährige verliebt sie sich - damals in Wien lebend - in den jungen Mann. R wird, ohne es zu wissen, ihr Backfischschwarm. Er wohnt im selben Haus wie die Schreiberin und ihre Mutter. Um für den schönen Schriftsteller interessant zu sein, beginnt das Mädchen zu lesen und verschlingt in den kommenden Jahren eine halbe Bibliothek. Die Verliebte steigert sich immer mehr in ihre Schwärmerei, obgleich sie mittlerweile gemeinsam mit der Mutter Wien verlassen hat. Sie kann R. nicht vergessen.

Als junge Frau begegnet sie dem Schriftsteller erneut und lässt sich von ihm bereitwillig deflorieren. Drei Tage dauert die Affäre an, dann geht er auf Lesereise und vergisst sie. Die hübsche Frau ist für ihn eine unter vielen. Sie wird schwanger, hält die Schwangerschaft vor ihm geheim und entschließt sich, nachdem sie Mutter eines Sohnes geworden ist, die Geliebte wohlhabender Männer zu werden, um auf diese Weise ihrem Sohn ein gutes Leben zu ermöglichen. So lebt sie 10 Jahre lang bis R. ihr abermals begegnet, sie erneut begehrt, ohne in ihr allerdings die einstige Geliebte zu erkennen. Wiederum schläft er mit ihr bei. Diesmal bezahlt er sie wie eine Hure. Für eine solche hält er sie nämlich.....

Die Geschichte ist packend erzählt, aber ist sie auch glaubhaft? Ist es möglich, dass eine gebildete, schöne Frau über Jahrzehnte unsterblich in einen Mann verliebt sein kann, der ihre Liebe nicht erwidert?

Ist es möglich, dass eine solche Frau diesem Mann, der sich für sie, wenn überhaupt nur kurzfristig sexuell interessiert, ihre Zukunft opfert? Ist es möglich, dass eine schöne, gebildete Frau sich dauerhaft so demütigt, wie die in der Novelle beschriebene? Wie soll man die hier dargestellte, einseitige Fixierung benennen? Ist das Liebe? Ist es möglich, dass ein Mann, der drei Tage mit einer sehr schönen, noch dazu liebevollen Frau im Bett verbringt sich an diese nach 10 Jahren absolut nicht mehr erinnern kann?  Ich weiß es nicht. 

Empfehlenswert.

Rezension: Verstehen Sie mich bitte recht (Gebundene Ausgabe)

 Claudio Magris hat im vergangenen Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten. In seinem neuen Roman lässt er die Ich-Erzählerin, die sich aus ungeklärten Gründen in einem Heim aufhält, von ihrer langjährigen Ehe mit einem Schriftsteller, den sie immer noch zu lieben vorgibt, berichten.

Mit ihrem Mann, offenbar ein kreativer Tausendsassa, den die Frauen lieben und der deren Avancen auch immer mal wieder erliegt, scheint sie über Jahre eine Art Symbiose eingegangen zu sein, die sie jetzt nicht mehr gewillt ist beizubehalten. Der Aufenthalt im Heim scheint sie gelehrt zu haben, dass ihr das Zusammenleben mit ihrem Gatten nicht gut tut. Sie möchte ihre Ruhe haben.

Die Heiminsassin berichtet, ohne zu klagen, wie sie stets das Leben ihres Gatten organisiert und ihn zu dem Mann gemacht habe, den die Frauen anschließend vergöttert haben. Neben den Alltäglichkeiten, um die sie sich generell gekümmert habe, sogar seine Kleidung habe sie ausgesucht, habe sie zudem seine Texte, sein " unleserliches Geschmiere....diese Klaue eines Neurotikers" abgetippt, Fehler korrigiert, kurzum seine Lektorin gespielt, damit er sich ganz in sein Schreiben vergraben konnte. Dass sie diesen Mann vollständig dominiert hat, sagt sie nicht.
Doch genau das ist meines Erachtens der Fall gewesen.

Ihr Mann möchte sie aus dem Heim zurückholen, aber sie möchte nicht mit ihm gehen, weil sie glaubt, dass er sie letztlich nur über die Vorgänge im Heim ausfragen möchte, um einen neuen Roman zu schreiben. Obgleich sie immer wieder betont, dass sie ihren Mann liebt, wird deutlich, dass ihr Groll ihm gegenüber die Liebe, wenn sie denn vorhanden ist, vollständig überdeckt. Man hört ihren langanhaltenden Schrei: ..." und wo bleibe ich?" in jedem von ihr artikulierten Wort. Im Grunde macht diese Frau ihren Mann dafür verantwortlich, dass sie ihr Leben nicht lebte, und neidet ihm seine Anerkennung. Sie schätzt ihre organisatorischen Fähigkeit höher ein als seine kreativen. Die Beziehung zerbricht daran, dass die beiden sich nicht auf gleicher Augenhöhe begegnet sind.

Claudio Magris will diesen Roman als eine neuzeitliche Version des alten Mythos von Orpheus und Eurydike verstanden wissen. Wie ich finde ist ihm die Version sehr gut gelungen, weil sie ein Problem in vielen Mann-Frau- Beziehungen aufzeigt. Eurydike kann den Hades erst verlassen, wenn sie gelernt hat, ihren eigenen Weg zu gehen, denn die Hölle findet immer im eigenen Kopf statt.