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Rezension: Brief einer Unbekannten (Taschenbuch)


Der bekannte Romanschriftsteller R., ein offensichtlich sehr attraktiver Mann, erhält einen Brief von einer Unbekannten, die ihm auf diese Weise mitteilt, dass sie einen gemeinsamen Sohn hatten, der wenige Stunden bevor die Schreiberin die Zeilen verfasste, verstorben ist. Die namenlose Schreiberin sieht aufgrund des Todes ihres Kindes keinen Sinn mehr im Leben und plant ihren Selbstmord. Zuvor allerdings möchte sie R., den sie seit ihrer Kindheit angeblich liebt, von ihrem gemeinsamen Sohn, hauptsächlich wohl von sich selbst berichten, möchte, dass er sie vor ihrem Tod noch ein wenig kennenlernt, denn offenbar weiß er von der Mutter seines toten Sohnes nichts.


In den Augen der Schreiberin, die von großer Schönheit ist, war R. ein heißer, leichtlebiger, ganz dem Spiel und dem Abenteuer hingegebener Junge, der gleichwohl in seiner Kunst unerbittlich ernst, pflichtbewusst, unendlich belesen und gebildet war. Als 13 jährige verliebt sie sich - damals in Wien lebend - in den jungen Mann. R wird, ohne es zu wissen, ihr Backfischschwarm. Er wohnt im selben Haus wie die Schreiberin und ihre Mutter. Um für den schönen Schriftsteller interessant zu sein, beginnt das Mädchen zu lesen und verschlingt in den kommenden Jahren eine halbe Bibliothek. Die Verliebte steigert sich immer mehr in ihre Schwärmerei, obgleich sie mittlerweile gemeinsam mit der Mutter Wien verlassen hat. Sie kann R. nicht vergessen.

Als junge Frau begegnet sie dem Schriftsteller erneut und lässt sich von ihm bereitwillig deflorieren. Drei Tage dauert die Affäre an, dann geht er auf Lesereise und vergisst sie. Die hübsche Frau ist für ihn eine unter vielen. Sie wird schwanger, hält die Schwangerschaft vor ihm geheim und entschließt sich, nachdem sie Mutter eines Sohnes geworden ist, die Geliebte wohlhabender Männer zu werden, um auf diese Weise ihrem Sohn ein gutes Leben zu ermöglichen. So lebt sie 10 Jahre lang bis R. ihr abermals begegnet, sie erneut begehrt, ohne in ihr allerdings die einstige Geliebte zu erkennen. Wiederum schläft er mit ihr bei. Diesmal bezahlt er sie wie eine Hure. Für eine solche hält er sie nämlich.....

Die Geschichte ist packend erzählt, aber ist sie auch glaubhaft? Ist es möglich, dass eine gebildete, schöne Frau über Jahrzehnte unsterblich in einen Mann verliebt sein kann, der ihre Liebe nicht erwidert?

Ist es möglich, dass eine solche Frau diesem Mann, der sich für sie, wenn überhaupt nur kurzfristig sexuell interessiert, ihre Zukunft opfert? Ist es möglich, dass eine schöne, gebildete Frau sich dauerhaft so demütigt, wie die in der Novelle beschriebene? Wie soll man die hier dargestellte, einseitige Fixierung benennen? Ist das Liebe? Ist es möglich, dass ein Mann, der drei Tage mit einer sehr schönen, noch dazu liebevollen Frau im Bett verbringt sich an diese nach 10 Jahren absolut nicht mehr erinnern kann?  Ich weiß es nicht. 

Empfehlenswert.

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