Elisa  Hoven, die Autorin dieses spannenden, zum Nachdenken anregenden Romans ist Professorin  für Strafrecht an der Universität Leipzig und Richterin am Sächsischen Verfassungsgerichtshof. 
Dem Roman  geht ein mehrseitiges Interview mit der Autorin voraus,  das dem besseren Verständnis der 9 Kapitel dient, aus denen sich  die Romanhandlung zusammensetzt. Zudem lernt man   durch  das Interview die Autorin und  Ihre Haltung zu unserem Justizsystem ein wenig kennen. 
Die Protagonistin im Buch ist die Ich-Erzählerin Eva Bergen, eine erfolgreiche Strafverteidigerin. Ihre Aufgabe ist es,   Tatverdächtigen rechtlich beratend und unterstützend beizustehen. 
Eva  berichtet von 9 Fällen, die sie verantwortet hat und zeigt  wie rasch  rechtliche Beratung und unterstützender Beistand bei einer Strafverteidigerin Gewissensprobleme zur Folge haben können. Wo endet ihr unterstützender Beistand? Wo macht sie sich möglicherweise selbst strafbar?
Die ersten 8 Fälle, die Eva Bergen nicht selten mit ihrem Ehemann Peter, einem Literaturprofessor, der im Buch offenbar als  gesunder Menschenverstand fungiert, erörtert, zeigen die Persönlichkeiten der jeweiligen Tatverdächtigen und Hintergründe, die zu den Straftaten führten, auf.  Diese Informationen  sind es, die  vielleicht begreifen lassen, weshalb  zuvor unbescholtene Menschen eine schlimme Straftat begangen haben, ohne dass man diese allerdings billigt. Hier gilt Peters Satz: "Wir können nicht alles Schlechte in der Welt verhindern. Aber wir können dafür sorgen, dass es nicht ungesühnt bleibt."(S.87)
Das gilt auch für den 7. Fall, doch hier wird es problematisch: Thematisiert wird die Vergewaltigung einer Medizinstudentin durch  eine Gruppe junger Männer. Das Vergewaltigungsopfer Sophia entscheidet sich zu einer Falschaussage, damit  die Täter nicht straffrei ausgehen und  hängt ihnen dabei darüber hinaus  die Straftat  des versuchten Mordes an.  Eva Bergen interpretiert dies als einen Akt der Selbstermächtigung und konstatiert, dass  die Studentin  zur Täterin werden wollte, um nicht mehr Opfer sein zu müssen.  Die Männer wurden allesamt zu 13 Jahren Haft verurteilt. Sophie wechselte ihr Studium, begann Jura zu studieren, weil sie  nun  plante, Staatsanwältin  zu werden, so erfährt man zu Ende des Kapitels. Mit dem Ergebnis bin ich alles andere als zufrieden, weil das Recht dadurch starke Blessuren bekommen hat. Kann Selbstermächtigung die Lösung sein, wenn Recht unfaire Lücken aufweist? Wohl eher nicht.
Eva Bergen  vermittelt Fakten an die Leser aber sie wertet nicht.  Das finde ich interessant. Sie fordert zum Nachdenken auf.
Interessant auch der Fall  der Studentin Selma,   die sich schuldig fühlt am Tod des ihr anvertrauten Kindes Kira und sich nach ihrem Freispruch selbst bestraft. In einem anderen Fall, dem 6., bringt die Autorin es mit nachstehendem Satz auf den Punkt: "Aber man kann niemand retten, der nicht gerettet werden will". 
Getäuscht wird Eva durch den Millionär Hans Kleemann, der durch sie, sich die notwendigen Infos beschafft, um eine kriminelle Handlung vertuschen zu können und  durch  den Chefarzt  Ludwig Friedrichsen, dessen  selbstbewusstes Auftreten sie zunächst auf eine falsche Fährte führt. Auch eine Strafverteidigern lässt sich blenden, wie dieser Fall zeigt. 
Alle Fälle  zeigen, dass Eva sehr vorsichtig arbeiten muss, es auch in der Regel tut, nicht zuletzt weil  sie  die Fehlberatung von Stefan Heinrich nicht vergessen kann,  die ein Familiendrama zur Folge hatte und sie seither Schuldgefühle plagen...
Klar wird nach all den dargestellten Fällen, wie große die Verantwortung  von Strafverteidigern und - innen ist, denn nicht immer ist alles so wie es scheint. Ein Katastrophe, wenn Unschuldige verurteilt werden und die Täter ungestraft ihr Leben fortsetzen können! 
Wie leicht Unachtsamkeit  oder Unkenntnis zu wirklichen  Dramen führen können, zeigt sich  im Fall "Salz" aber auch und vor allem  im Fall Stefan Heinrich...
Die katastrophalen Folgen von Handlungen oder Unterlassungen können nicht immer vorausgesehen werden, auch von einer hervorragenden Strafverteidigerin nicht.   
Gefallen hat mir, dass Elisa Hoven  immer wieder auch aus dem Privatleben  der Strafverteidigerin erzählt und  sie dem Leser so als Mensch mit  vielen Facetten nahe bringt, der sein berufliches Tun ernst nimmt, aber auch an seine Grenzen stößt mit entsprechenden Folgen… 
Maximal empfehlenswert 
Helga König