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Rezension: Besser allein als in schlechter Gesellschaft- Meine eigensinnige Tante- Adriana Altaras-Kiwi


Adriana Altaras, die Autorin dieses hinreißend kurzweilig geschrieben Buches ist eine mehrfach ausgezeichnete Schauspielerin, zudem inszeniert sie seit den Neunzigerjahren an Schauspiel- und Opernhäusern und hat bereits mehrere Bestseller verfasst. 

Ihr Buch habe ich kürzlich erst in einer Buchhandlung entdeckt und war nach wenigen Seiten bereits überaus beeindruckt von dem Erzähltempo, das so gar nicht zu einem Text über eine 101 Jährige zu passen scheint. Doch genau das fasziniert und löst Neugierde aus. 

Man erwartet berechtigten Trübsinn und findet stattdessen in vieler Hinsicht die berühmte Leichtigkeit des Seins. Das ist Balsam für die Seele von uns Lesern in den dunklen Zeiten, die wir augenblicklich gerade durchleben.

Adriana Altaras schreibt von ihrer eigensinnigen Tante, der schönen Teta Jele, die immer wieder auch selbst zu Wort kommt. Diese resiliente und zugleich resolute, hochbetagte Dame wurde 101 Jahre alt. Widerwillig musste sie, die die Freiheit liebte, am Ende ihres Lebens in einem Pflegeheim in Italien die ihr noch verbleibende Zeit verbringen, weil ihre Motorik durch einen Sturz stark beeinträchtigt wurde.

Teta Nele wäre nun zwar gerne bei ihrer geliebten Nichte, möchte aber nicht in Deutschland leben. Ihre Erinnerungen an die Nazis sitzen zu tief. Darüber hinaus herrscht Corona zum Zeitpunkt ihres Aufenthaltes im Pflegeheim und sie, die als Einzige dort nicht an Corona erkrankt ist, lebt entsprechend isoliert. Doch sie weiß aufgrund ihrer Lebenserfahrung, dass man besser allein als in schlechter Gesellschaft lebt. 

Der Leser nimmt Anteil an der engen Beziehung zu ihrer Nichte, an deren Telefonaten, wo man sich am Realismus, aber auch den schwarzen Humor Teta Jeles erfreuen kann und begreift, was diese Frau die Spanische Grippe, die Nazizeit, das Konzentrationslager und ihre spießbürgerliche Schwiegermutter hat überstehen lassen. Es ist die Fähigkeit, zu bejahen, dass das Leben kein Zuckerschlecken ist und man Schwierigkeiten zunächst annehmen muss, um mit ihnen umzugehen und sie anschließend vielleicht überwinden zu können. 

Teta Jele hat sich bei allen Schwierigkeiten ihres Lebens den Sinn für das Schöne, vielleicht auch Luxuriöse erhalten, liebt noch immer einen guten Lippenstift auch dezent-edle Kleidung und war stets bodenständig genug, um gerne und gut zu kochen. Eine selbst gemachte Pasta ist ihr Wohlfühlgeheimnis, mit dem man - nach ihrer Erfahrung- alles überlebt.

Ihre Kraft zum Leben schöpft die Kinderlose aus der Liebe zu ihrer Nichte, von der sie glaubt, obgleich diese auch schon 60 Lenze zählt, dass sie sie immer noch behüten muss, weil die beruflich zwar erfolgreiche Adriana emotional  einfach zu  dünnhäutig ist. 

Genau diese Dünnhäutigkeit stresst Menschen bekanntermaßen und lässt sie stets aufs Neue in das berüchtigte Loch der Larmoyanz fallen. Teta Jela weiß, wie es auch anders geht: annehmen und loslassen hat sie gelernt.

Maximal empfehlenswert
Helga König

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