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Rezension: „Die spürst Du nicht“-Daniel Glattauer-Roman



Der Autor dieses tief berührenden, sehr nachdenklich stimmenden Romans ist der Schriftsteller Daniel Glattauer, dessen Bestseller "Gut gegen Nordwind" gewiss noch vielen Lesern in guter Erinnerung ist.

"Die spürst Du nicht" enthält- ganz gewiss dem Zeitgeist geschuldet- nicht die Leichtigkeit des Seins, die in "Gut gegen Nordwind" Aufbruch in etwas Neues versprochen hat. Das Neue ist zwischenzeitlich Teil unseres Lebens geworden. Man hat keine Zeit mehr Briefe zu schreiben oder längere private Mails zu verfassen, weil die sozialen Medien zu viel Raum eingenommen haben. Doch die Kommunikation im Netz hat auch schon lange nichts mehr Prickelndes, sondern belastet zumeist nur noch, wenn man länger dabei ist. Nicht zuletzt, weil diese Form der Kommunikation ein öffentliches Zur- Schau- Stellen ist  und oft einfach nur noch zäh und streiten oder gar verletzen wollend daher kommt... 

Die Geschichte, die Daniel Glattauer erzählt, spielt primär in Wien und in der Toskana. Die weltoffenen, arrivierten Protagonisten, ein  Ehepaar mit Tochter und deren befreundetes Ehepaar haben sich entschieden ein somalisches Flüchtlingskind, auf Betreiben der Tochter Sophie Luise, die mit Aayana, dem Flüchtlingskind befreundet ist, mit in den Urlaub in die Toskana zu nehmen, damit sie im Swimming Pool der Villa, die sie dort bewohnen, schwimmen lernen kann.

Dass das Mädchen dort ertrinkt, hat viele Ursachen, nicht zuletzt ist eine Ursache im Trauma begründet, dass Aayany durch die Ereignisse ihrer Flucht übers Mittelmeer mit sich seither herumschleppt. Davon wissen die etablierten Ehepaare zunächst aber nichts. Die grüne Politikerin Elisa Strobl-Marinek, Mutter von Sophie Luise, ist in erster Linie an ihrer Karriere interessiert und ihrer Darstellung nach außen. Sie sonnt sich, wie nicht wenige aus ihren Kreisen, in ihrem Gutmenschentum, das sie keineswegs zu einem tatsächlich guten Menschen macht, der sich für das Schicksal seiner Mitmenschen wirklich interessiert. Elisas Gedanken kreisen um ihre Befindlichkeiten.

Nach dem Badeunfall sind die beiden Frauen und die Tochter verschreckt. Es geht in erster Linie allen darum, möglichst die Angelegenheit zu verdrängen und Elisa darum, sich von möglicher Schuld zu distanzieren. Sie kann sich keinen Skandal erlauben, denn das würde das Ende ihrer Karriere bedeuten. Dieser ordnet sie alles unter. So erwartet sie von ihrer Tochter, dass sie funktioniert, führt eine lieblose Ehe und entfernt sich emotional immer mehr von ihrer Freundin, die mit ihrem Mann, dem Erben einer Weinbauern-Dynastie, die Ferien mit den Marineks in Italien verbracht hat. 

Als es wider Erwarten in Wien zu zivilrechtlichen Problemen wegen des Unfalls kommt,-  die Marineks werden von einem befreundeten Staranwalt vertreten -, erfährt man mehr über das Schicksal der Flüchtlingsfamilie, die in Österreich  Asyl bekommen hatte. Ihr Schicksal steht für das Schicksal vieler Flüchtlinge, die jährlich die Gefahren einer Fahrt über das Mittelmeers in Kauf nehmen, um ihr Leben zu retten und eine bessere Zukunft  in Europa erhoffen.

Dass der traumatisierte Sohn der Familie mit Sophie Luise, der Tochter der Marineks im Internet Kontakt aufnimmt, ohne sich erkennen zu geben und mit ihr schließlich in die Welt der Drogen eintaucht, zeigt nochmals deutlich den Narzissmus der Karrieremutter, die noch nicht einmal bemerkt, in welchen Zustand die Tochter durch den Tod ihrer Freundin geraten ist. 

Unerträglich das Gezeter und die Besserwisserei im Netz, die mit den Prozessberichten einhergehen...

Deutlich gemacht wird durch den Roman, dass Integration vor allem auch bedeutet, sich mit den Lebensgeschichten der Geflüchteten wirklich auseinanderzusetzen, sehr achtsam  und behutsam zu sein, was deren Würde anbelangt, sie mit der Zuschaustellung des eigenen Wohlstands nicht zu brüskieren, sie nicht als Menschen zweiter Klasse zu sehen, denen man selbstherrlich Almosen zukommen lässt, um sich als guter Mensch auf die Schulter klopfen oder gar sein "Gutmenschentum" politisch vermarkten zu können. 

Nächstenliebe bedeutet, Verständnis zu haben für den anderen und ihn fürsorglich an die Hand zu nehmen, ihn zu beschützen und nicht absaufen zu lassen, auch nicht im hauseigenen Swimmingpool.

Ein packender Roman mit tausend Facetten, die man leider in einer zeilenbegrenzten Rezension nicht alle anführen kann. 

Maximal empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: In einer dunkelblauen Stunde- Peter Stamm- S. Fischer


Der Autor des vorliegenden Romans mit dem Titel "In einer dunkelblauen Stunde" ist der Schweizer Schriftsteller Peter Stamm. 

Es handelt sich bei diesem Buch um die Geschichte einer beruflich gescheiterten Regisseurin, aber es ist auch die Geschichte einer am Glauben gescheiterten evangelischen Pfarrerin und schließlich die Geschichte eines erfolgreichen, jedoch am Leben gescheiterten Schweizer Autors. 

Die Ich-Erzählerin, die Regisseurin Andrea, eine Frau mit abgebrochenem Studium, möchte mit ihrem Team einen Film über den Schweizer Autor Richard Wechsler drehen, doch dieser entzieht sich recht bald den Aufnahmen, die in Paris, wo er zumeist lebt, realisiert werden sollen. 

Da Wechsler, -ein Eigenbrötler-, wenig von sich preisgibt, wird es immer schwieriger das Filmvorhaben zu realisieren. Hinzu kommt, dass die Liebesbeziehung zu Tom, die Andrea zu diesem Zeitpunkt gerade hat, sich im Auflösungsprozess befindet. Alles nicht so prickelnd für Andrea, die gottlob über genügend Leichtigkeit verfügt, um sich - pragmatisch-  auf weniger berauschend Neues einzulassen, sowohl beruflich als auch privat, nachdem das, was sie gerade erlebt, sich als zukunftslos erweist. 

Bleiben ihr doch noch immer ihre Traumwelten, wo alles möglich ist. In diese Welten lässt uns Peter Stamm eintauchen. 

Um mehr über Wechsler zu erfahren, liest Andrea dessen Bücher und entdeckt Hinweise auf eine Jugendliebe, die in seinen Büchern offenbar verschlüsselt stets auf Neue vorkommt. Andrea findet diese Frau, sie heißt Judith, eine evangelische Pfarrerin, verheiratet mit einem Lehrer, mit dem sie zwei Töchter hat und erfährt im Laufe des Handlungsgeschehens mehr über sie und deren Beziehung zu Wechsler, die bis zu dessen Ableben angedauert hat… 

Der Schriftsteller hat Judith in Paris schwarze Dessous geschenkt, liest man und denkt sich amüsiert, ein nettes Präsent für eine evangelische Pfarrerin aus der Schweiz… Wie tief die Liebesbeziehung war, hat Wechsler offenbar seinen Büchern anvertraut. 

Andrea und Judith verbindet recht bald eine Freundschaft, in der Wechsler immer mehr in den Hintergrund tritt. Er ist tot, war es vermutlich schon in der Endzeit seiner Schreibkarriere. 

Immer wieder stolpert man im Laufe eines eher ruhigen Handlungsgeschehens, in dem kaum etwas Nennenswertes geschieht, über kluge und zugleich melancholische Sätze, wie etwa "Die fiktive Welt hat etwas Verführerisches, sie erfüllt einem alle Wünsche. Man kann nicht sterben in ihr, aber man kann auch nicht leben." 

Andreas Welt ist ein Wechselbad zwischen einer realen Welt unerfüllter Wünsche und einer fiktiven, in der vieles für sie möglich ist. Doch sie geht anders damit um als Richard Wechsler. Vielleicht weil sie letztlich überbordende Lebensfreude besitzt und er wohl eher Vergänglichkeitsangst, die sich im Schreiben immer neuer Bücher äußert.

Andrea führt Selbstgespräche oder Gespräche mit Dritten über Dokumentarfilme, Wechsler philosophiert über die Welt der Bücher, Judith über den Glauben, alles recht beiläufig.  Denn worum es geht eigentlich? 

Um die Alltäglichkeiten, die das Leben ausmachen, um das  angebrochene Glas Sambal Olek im Kühlschrank. Vielleicht auch darum, aufzuzeigen, dass die Traumzeiten das Wesentlichste in einem Künstlerleben sind, wenn er produktiv bleiben möchte und auch darum, dass ein Schriftsteller, der sich selbst nicht so wichtig nimmt, hinter seinem Werk zurücktritt, als Person nicht gesehen werden möchte, in die Großstadt ein- und im Grunde untertaucht, um zu schreiben und ungestört seinem Alltag nachzugehen. 

Die Gegenwelt ist das Dorf, wo jeder jeden kennt und wo Wechsler bestattet wird, fernab der Großstadt- Anonymität. Dort, wo seine Stimme nicht verstummt, auch wenn er schon lange tot ist und seine Bücher den Weg alles Irdischen gegangen sind, dort wo er keine verlassenen Spielplätze gibt, aber das vorbehaltlose Ja zur Erinnerung an das, was den Menschen eigentlich ausmacht.

Empfehlenswert

Helga König

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Rezension: Spitzweg- Eckhart Nickel- Piper



Eckhart Nickel, der Autor dieses Romans, studierte Kunstgeschichte und Literatur in Heidelberg und New York. 2019 hat er für seinen "Roman Hysteria" den Friedrich- Hölderlin-Förderpreis der Stadt Homburg erhalten. Derzeit schreibt er primär Reisereportagen für die FAS. 

Die Handlung und der Handlungsverlauf des Romans "Spitzweg" fand ich geradezu als nebensächlich, wenngleich ich das Werk als außerordentlich gelungen einstufe und Zeile für Zeile genossen habe.

Warum? 

Es ist die betörende Sprache, die Charakterisierung der Personen und die spielerisch vermittelte Bildung aber auch die Nachdenklichkeit des Autors, die es schaffen, auf vielfältige Weise das Interesse für das Geschriebene zu wecken. Hier wird geistvoll geplaudert, ohne ins Schwätzen zu verfallen. Die Sprache, bemerkenswert elaboriert, doch der Vortragende niemals hochnäsig, sondern erfreulich lässig, outet den Erzähler als brillanten Kopf, der seinem Protagonisten Carl seine Gedanken über Kunst und Kultur in den Mund gelegt hat. 

Der Ich-Erzähler, sein Freund Carl und die Klassenkameradin Kirsten nehmen im Handlungsverlauf nicht unwesentliche Rollen ein, doch die Hauptrolle spielt die Kunst und das, obschon der erste Satz im Buch heißt: "Ich habe mir nie viel aus Kunst gemacht." 

Den Roman selbst begreife ich dennoch weniger als Ode auf die Kunst, sondern mehr als Kritik an der Sprach- und Bildungsverkommenheit, die jungen Menschen, die heute kurz vor dem Abitur stehen, die Möglichkeit rauben, intellektuelle Themen in der Tiefe zu durchforsten.

Die Hauptfiguren des Romans - insbesondere Carl- scheinen aus der Zeit gefallen, sind so gebildet, wie manche Eltern sich Schüler an Gymnasien in der Oberstufe möglicherweise wünschen, aber seit der Digitalisierung, dem dort eingeübten "Kurzsprech" und dem pausenlosen Befassen mit Oberflächlichkeit in der Freizeit nicht mehr bekommen werden. 

Vielleicht sind die Pädagogen über diese Tatsache eher froh, als dass sie dies ernsthaft betrauern, denn die Lehrer im Roman sind mit den hochbegabten und irgendwie letztlich idealisierten Schülern wie Carl und Kirsten offenbar überfordert. 

Was hier zelebriert wird, ist etwas anderes als Sehnsucht nach dem untergegangen Bildungsbürgertum, denn es verfügt über ungezählte kritische Facetten, die Bildungsbürgerliche vermutlich erschrecken würden. Viel zu intelligent!

Eckhart Nickel baut Sätze, die die Leser zwingen, konzentriert zu lesen und den Ich-Erzähler aufhorchen lassen. Gedanken zur Malerei, Musik oder die Hymne auf den Tee begeistern, auch das beiläufige Erwähnen von Literatur, das sofort erkennen lässt, der Verfasser des Romans hat gelesen, wovon er schreibt. Dennoch ist das Werk keine narzisstische Nabelschau. 

Dann das Referat Carls im Kunstunterricht… Meisterlich! So könnten Schüler ausgebildet sein, wenn der Anspruch nicht darauf ausgerichtet wäre, das Niveau zu senken.

Subtil gewählt ist der Maler Carl Spitzweg im Hinblick auf Bildbeschreibungen, der für seine ironischen Bilder bekannt ist. Auch die Figur Carls im Roman könnte eine Figur Spitzwegs sein, weniger ein "Hagestolz" als ein "Kakteenfreund", der mit den zur Sprache gewordenen Stacheln seiner geliebten Kakteen die Hirntätigkeit seiner Lesern aktivieren möchte.  Ob es ihm gelingt?

Maximal empfehlenswert. 

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Rezension: Simonettas Schatten-Eine Erzählung über die Unbelehrbarkeit des Schönen-Ludwig Drahosch- Verlag Margarete Tischler



Blickt man auf den Buchdeckel dieser Erzählung, so fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt. Das edle Design, das das Portrait in der Mitte umgibt, erinnert an ein Stoffmuster aus der Renaissance. Neugierig fragt man sich deshalb, ob die abgebildete junge Frau Simonetta Vespucci sein soll, die als die schönste Frau ihrer Zeit gegolten hat. Was hat die Erzählung des Künstlers Ludwig Drahosch mit deren Schatten zu tun? Und worin besteht dieser Schatten überhaupt? 

Die einzelnen Kapitel der Erzählung beginnen jeweils mit einem Zitat eines Kunst-Schaffenden aus der Renaissance. In all diese gut gewählten Sentenzen sollte man sich zunächst stets vertiefen, denn sie dienen dem Textverständnis. 

Ort der Handlung ist Florenz. Die Protagonisten sind der betagte Maler und Kunstkenner Giorgio und die junge, bildschöne Schauspielerin Genoveva. Giorgio malt schon seit Langem keine Bilder mehr, denn sein Stil ist nicht mehr gefragt. Er ist der Renaissance verhaftet, versteht wie kein zweiter deren Bekenntnis zum Schönen, für das die Stadt Florenz der überwältigende, sichtbare Ausdruck ist. Er kennt diese Stadt, ihre Architektur und ihre Maler, liebt ihre Gassen und schätzt die versteckte Cafeteria, in der er allabendlich seinen Portwein genießt und kunstsinnigen Gedanken nachgeht, an denen die Leser teilhaben dürfen. 

Giorgio liebt die Schattenspiele an der Wand der Kirche, die er vom Fenster der Cafeteria aus bestaunen kann. Mit diesen Bilderwelten kommuniziert er. Er scheint auf geheimnisvolle Weise aus der Zeit gefallen, in gewisser Weise Teil der Kunstgeschichte zu sein, er, der am Leben im Hier und Jetzt nicht mehr glaubhaft teilnehmen möchte, weil es ohne Poesie und Sinn für das Schöne ist. Wann und wieso haben die Menschen sich dieser wertvollen Schätze entledigt und vor allem weshalb? 

Im Dämmerzustand der Zeitlosigkeit lernt er seine neue Nachbarin Genoveva kennen, deren Schönheit ihn überwältigt. Er beobachtet sie von seinem Zimmer aus, bewundert sie auf ihrem Balkon und überredet sie, diesen umzugestalten, um ihn als Bühnenbild der Renaissance szenisch aufleben zu lassen. Die Architektur des Hauses soll mit den Stoffen und der Dekoration des Jetzt eine Einheit bilden. Nichts soll die Authentizität  der Renaissance stören. Die schöne Genoveva wird Teil dieses Bühnenbildes und auf diese Weise die Muse von Giorgio so wie einst Simonetta Vespucci die Muse von Sandro Botticelli war. 

"Musen sterben nie, Giorgio" liest man auf Seite 89 der Erzählung, in der die Zeiten verschwimmen und der Tod überwunden scheint, sobald man sich dem Geheimnis des Schönen öffnet, es bejaht, ohne es verstehen zu wollen, weil es intellektuell nicht wirklich zu entschlüsseln ist, da es jenseits des Goldenen Schnitts oder der Sphärenmusik immer noch vorhanden zu sein scheint. Das Schöne war Giorgios letztes Rätsel, für das es Wert war zu sterben. 

Der alte Mann beginnt wieder zu zeichnen und zwar mit Kohlestückchen, die alle Kostbarkeiten  darstellen, weil sie in Bezug zu Personen stehen, die ihn beeindruckt haben. Darunter auch ein Kohlstückchen, das er aus einem winzigen Holzstück, welches er in einer Ritze der Grabstelle von Simonetta Vespucci fand, gebrannt hat und ein weiteres, welches er aus einem Buchsbaumzweig des Grabmals des Dichters Petrarca anfertigte. 

Die Linien, die er mit der Kohle zeichnete, waren Oden an reale Schönheit, die sich in Gemälden letztlich als bloße Schatten dessen erwiesen, was die Schöpfung hervorgebracht hat und von Künstlern wie Botticelli auf geniale Weise idealisiert wurden. 

In der vorliegenden Erzählung wird an wunderbare Kunstschätze erinnert und an die Künstler, die diese schufen. Nach Giorgios Lehre habe der Mensch zwar Zugang zum Akt des Schöpfens des jeweiligen Künstlers, doch keinen zur Erkenntnis über den Schöpfer selbst. Das Innere gehörte ihm allein, doch alles, was er daraus schöpfte, gehörte allen. 

Die schöne Genoveva lässt Giorgios malerische Leidenschaft erneut aufleben und erkennen, dass die wahre Malerei jene ist, welche ein Staunen in die Gesichter der Menschen zaubert. 

Doch ich möchte nicht zu von der Handlung dieser Erzählung preisgeben... 

Merken  sollte man sich: Den Schatten des Schönen festzuhalten, bedeutet, etwas zu bewahren, was der Welt ansonsten abhandenkommt. "So sammelt die Malerei ihre Eindrücke, vergeistigt sinnliche Momente und lässt daraus etwas, was im Gegensatz zur Wissenschaft nicht greif- und messbarbar ist, wachsen. Es ist eine Assoziationspalette, die von der Malerei geschaffen wird. Eine Weisheit des Blicks, die uns zeigt, wie schön und wertvoll alles ist, was uns diese Welt vorstellt…"(Ludwig Drahosch, S. 86)

Vielleicht noch das... Giorgio lebt so sehr in der Welt der Renaissance, dass er gewissermaßen zum Wiedergänger des Renaissancekünstlers Giorgio Vasaris wird… 

Fazit: Dies ist eine der besten Erzählungen, die ich jemals gelesen habe, eine Ode an die Kunst und die Schönheit, die zum Träumen aber auch zum Nachdenken anregt. 

PS: Wunderschön auch sind die Illustrationen von Mag. Ludwig Drahosch in diesem Buch, die die Texte atmosphärisch bereichern.

Maximal empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Isidor-Shelly Kupferberg- Diogenes

Shelly Kupferberg, die Autorin dieses Buches, ist Journalistin und moderiert für den Deutschlandfunk Kultur und RBB Kultur diverse Sendungen zu Kultur und Gesellschaft. Die in Tel Aviv geborene Schriftstellerin ist die Urgroßnichte des Protagonisten ihres Werkes. Bei ihm handelt es sich um Dr. Isidor Geller, einer schillernden, beruflich überaus erfolgreichen Persönlichkeit, der in einer streng gläubigen, jüdischen Familie in Galizien in nicht begüterten Verhältnissen im vorvergangenen Jahrhundert aufwuchs. 

Kupferberg erzählt  sehr packend nicht nur von ihm, sondern auch von dessen Eltern und Geschwistern. Isidor ist derjenige unter seinen Geschwistern, in der damaligen K und K Monarchie, der aufgrund von überdurchschnittlicher  Intelligenz und viel Fleiß bis in die höchsten Kreise in Wien Ansehen erlangt.

Der Jurist wird Kommerzienrat als auch Berater des österreichischen Staates und aufgrund seiner Geschäftstüchtigkeit Multimillionär. Isidor ist außerordentlich hilfsbereit und großzügig, dabei kulturell sehr interessiert, ist Kunstsammler, liebt das Schöne und besucht gerne die Oper. 

Seine zwei Ehen sind gescheitert, bevor er der Liebhaber einer Opernsängerin wird, deren Karriere er fördert. Gesellschaftlich anerkannt und beliebt,  hält er es für unmöglich, dass nach dem Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland, Hatz auf ihn gemacht wird, er deshalb auch nicht emigriert, obschon sein Neffe, der nach Israel auswandert, ihm dies dringend ans Herz legt.

Man liest von sadistischen, entwürdigenden Maßnahmen seitens der Nazis in Wien an der jüdischen Bevölkerung, liest wie Isidor systematisch ruiniert wird und schließlich erschöpft von all den Quälereien stirbt.

Das unglaubliche Unrecht, das ihm und den meisten Juden widerfuhr durch die Nazis und deren Mitläufer wird in dieser Lebensgeschichte exemplarisch verdeutlicht, aber auch die Tatsache, dass nichts sicher ist auf dieser Welt, sobald die Schattenseite von Menschen sich in einem Staat ungehindert ausleben kann.  

Die Zeilen aus Gryphius Gedicht "Alles ist eitel"

Was jetzt noch prächtig blüht, soll bald zertreten werden. 
Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch’ und Bein, 
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein. 
Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden. 

besaß  nicht nur  im 17. Jahrhundert während des 30 jährigen Krieges Geltung, dessen sollte man sich bewusst und stets vorbereitet sein auf ideologische Wahnsinnshandlungen.

Dr. Isidor Geller ist eine tragische Gestalt, Opfer einer Ideologie, die sich Hass auf ihre Fahnen geschrieben hatte und diesen an Juden und Andersdenkenden hemmungslos auslebte. 

Maximal empfehlenswert. 

Helga König

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Rezension: Die Letzten werden die Ersten sein-Lionel Shriver-Piper



Die Amerikanerin Lionel Shriver, die mit dem "Orange Prize of Fiction" ausgezeichnete Autorin dieses detailreichen Romans, lebt in London und in Brooklyn. 

Kenntnisreich schreibt sie mit "Die Letzten werden die Ersten sein" eine Satire über den Fitnesswahn und die Selbstoptimierung, die nicht nur in den USA den derzeitigen Zeitgeist prägen und selbst in die Jahre gekommene Zeitgenossen gefangen nehmen. 

Protagonisten in dem vorliegenden Roman sind Remington und Serenata, die bereits 32 Jahre ein Paar sind, zwei Intellektuelle, deren Haushalt so Remington, wenn überhaupt, dann höchstens an zu viel Ironie leidet. Das sei eine häufige Krankheit der übermäßig Gebildeten. Mit all dieser arroganten Lustigkeit werde Erschöpfung und Passivität getarnt und dahinter stecke die Angst, sich in die Schusslinie zu begeben. Dies ist ein zentraler Gedanke im Buch, den man auf Seite 233 nachlesen kann.

Worum geht es? Um intellektuelle Wortgefechte, auch um Erschöpfung, um Sinnsuche mittels übertriebenen sportlichen Betätigungen, um Eifersüchteleien, das eigene Altern und das der Beziehung.

Sereneta hat seit frühester Jugend Sport betrieben,- für sich -, nicht um gegen andere zu gewinnen und musste aufhören zu joggen, weil sie ihre Arthrose - bei ihr eine Folge übermäßigen Sports- dazu zwang. Nun hat es ihren Gatten gepackt, nachdem man ihn frühpensionierte. Deshalb möchte er sich durch einen Marathonlauf beweisen, dass er noch nicht zum alten Eisen zählt. 

Serenata reagiert ironisch, oft sogar zynisch, weil sie Sport in einer Gruppe und daraus entstehende Konkurrenz zutiefst ablehnt, zudem etwas neidisch ist, dass ihr bis dahin unsportlicher Gatte jetzt mehr Biss entwickelt als sie, die durch den vielen Sport, den sie ihr Leben lang machte, lädiert ist...Diese Tatsache verletzt ihre Eitelkeit. 

Wie es sich die Handlung weiterentwickelt, wird im Rahmen der Rezension nicht verraten. 

Jeder, der ältere Menschen kennt, die wie besessen in eine Fitness-Bude rennen und sich dort verausgaben, bis der Sportarzt her muss und auch solche kennt, die sich täglich für einen Marathon oder für Fahrradrennen schinden, obgleich sie ihr Leben lang nur am Schreibtisch verbracht haben, wird amüsiert sein von dem hochironischen Roman mit seinen tiefen Weisheiten.

Doch lesen Sie bitte selbst!

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Rezension: Der Aufgang- Stefan Hertmans-Roman- Diogenes


Autor dieses Romans ist der Romancier Stefan Hertmans. Er gilt als einer der wichtigsten Schriftsteller der Gegenwart im niederländisch-sprachigen Raum. 

Die Romanhandlung spielt vorrangig in der NS-Zeit. Protagonisten sind der flämische SS-Offizier Willem Verhulst und seine tiefgläubige Frau Mientje, die Pazifistin ist. 

Stefan Hertmans befasst sich mit der Geschichte der beiden, nachdem er ein altes Haus in Gent erworben hat, in dem diese, was er zuvor nicht wusste, einst gemeinsam mit ihren Kindern gelebt hatten. Dass dieses höchst unterschiedliche Paar überhaupt ein gemeinsames Leben führen konnte, war wohl der Großzügigkeit und Duldsamkeit von Mientje geschuldet. 

Man erfährt von Willems Entwicklung, den gefühlten Demütigungen in der Schulzeit, weil er ein flämisches Kind war, in der Schule seine Algebra-Prüfung vermasselt, weil er das Französisch des Mathematiklehrers nicht versteht. Willem besucht später die Garten- und Landbauschule in Melle bei Gent, treibt sich in proflämischen Studentenclubs herum, tritt einer proflämischen aktivistischen Bewegung bei, die rasch anwächst. 

Man erfährt von dem, was sich in Flandern politisch Ungutes zusammenbraut, auch von deren Vorstellung eines großgermanischen Reichs unter deutscher Führung, liest von Willems erster Liebensbeziehung und schließlich seiner Ehe mit Mientje. 

Willem wird V-Mann bei den Nazis. Er muss über jeden, der ihm oder seinen Mitarbeitern zufolge Widerstand oder abweichendes Verhaltens aufwies, Meldung machen: "England-Sympathisanten, Freimauer, Juden, Sozialisten, volksfeindliche Elemente, Franskiljons, Widerständler, Bolschewisten und- die Besatzungsbehörde bestand darauf- Pfadfinder mit ihrem Pazifismus, Mitglieder eines verdächtigen Billard-Clubs in der Sleepstraat und nicht zuletzt die fanatischen Belgizisten aus dem Ersten Weltkrieg (…)." Auf diese Weise, so schreibt der Autor, sei die "Überwachung der reinen Volksseele zu einem respekteinflößenden Apparat angewachsen." 

Willem hat neben der Ehefrau zudem eine Geliebte, die ideologisch bestens zu ihm passt. Auch diese Untreue duldet Mientje, die versucht, ihre Kinder pazifistisch zu erziehen und sie vom flämischen Nationalismus inklusive Hitlerwahnsinn fernzuhalten. 

Dass ihr dies, trotz deren verblendetem Vater, letztlich gelingt, grenzt an ein Wunder und ist ihrem unverbrüchlich graden Charakter zu verdanken. 

Stefan Hertmans zeigt in seinem hervorragenden Roman hauptsächlich die Verblendung eines Menschen, eines Kollaborateurs, während der Nazi-Zeit in einem europäischen Land, wie man diese Spezies nicht nur in Belgien und Frankreich, sondern auch in Ungarn und anderenorts antraf, zeigt am Einzelbeispiel die Entwicklung hin zur Verblendung und erkennt, dass dieses Phänomen immer wieder auftauchen kann, wenn bestimmte Eckpunkte dies zulassen. Zu diesen gehören natürlich - neben ideologischer Verblendung und Minderwertigkeitsgefühlen auch die verlockende Chance des beruflichen Aufstiegs. 

 Maximal empfehlenswert. 

 Helga König 

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Rezension: Die Spionin der Charité- Roman- Christian Hardinghaus



Dr. phil. Christian Hardinghaus ist der Autor dieses bemerkenswerten Romans. Er arbeitet u.a. als freier Journallist, Lektor, Autor und beratender Historiker und veröffentlicht Sachbücher als auch Romane.

Der hier vorliegende Roman beruht auf wahren Begebenheiten in der Charité in Berlin zu Zeiten des 2. Weltkriegs, wo sich um den weltberühmten Chirurgen Ferdinand Sauerbruch eine Widerstandsgruppe gegen Hitler formierte. Es handelte sich hierbei um den so genannten "Donnerstagsclub". 

Lilly Hartmann, die Sekretärin Sauerbruchs berichtet 30 Jahre später einem Journalisten von dieser Gruppe, von der bislang noch keiner wusste. 

Die junge, gebildete Danzigerin wuchs in einem liberalen Elternhaus auf und wurde von Professor Sauerbruch im Sommer 1940 als Sekretärin eingestellt, womit sie nicht gerechnet hatte. Sie wird Teil der Widerstandgruppe, erlebt den Nazischergen und Mediziner Dr. de Crinis, der ein Menschenverächter ist, Geisteskranke selektiert und Frauen als Objekte seiner sexuellen Gier benutzt. An ihm offenbaren sich die ganze perfide Respektlosigkeit, der Zynismus und die Herrenmenschattitüde der Nazis. 

Lilly lernt den Diplomaten Fritz Kolbe kennen und gewinnt ihn für die Widerstandsgruppe, für die er Spitzeldienste leistet. Die beiden verlieben sich ineinander und leben im fortdauernden Risiko seitens der Nazis aufgedeckt zu werden. Fritz Kolbe weist die Amerikaner immer wieder auf die Ungeheuerlichkeiten in den Konzentrationslagern hin, doch der dortige Geheimdienst scheint in dieser Beziehung nicht zu reagieren. Dass man für die USA skandalöse Unterlagen von ihm, der bereits  lange schon verstorben ist, bei seiner Ehefrau Lilly noch Jahrzehnte nach 1945 vermutet, macht ihr Leben nicht ungefährlich… 

Wie risikoreich es war, während der NS-Zeit Widerstand gegen das Terrorregime zu leisten, dokumentiert Dr. Hardinghaus auch durch Zahlen. Das missglückte Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 hatte zur Folge, dass die Männer des SD und der Gestapo jeden Winkel des Reiches nach Mitwissern durchforsteten. "Polizisten verhörten, folterten, mordeten. Bis Kriegsende wurden über siebentausend Verdächtige verhaftet, die meisten überlebten die Haft nicht. Ernst Kaltenbrunner, der Chef der Sicherheitspolizei und des SED ließ Armeeangehörige aller Ränge vor den Volksgerichtshof zerren. Egal, ob Generalfeldmarschall oder Unteroffizier. Wer das Attentat unterstützt hatte, wer davon gewusst hatte, der wurde vom Präsidenten des Volksgerichtshofes, Roland Freisler, öffentlich gedemütigt und hatte keine Chance, einem Todesurteil zu entkommen." (S. 176)

Was mit den Mitgliedern des "Donnerstagsclubs" geschah, können Sie dem lesenswerten Roman entnehmen, der sehr nachdenklich stimmt auch im Hinblick auf den Widerstand gegen den Despoten Putin im Hier und Heute in Russland. Diesen Diktator zu beseitigen, ist gewiss noch problematischer als damals Hitler, weil die Sicherheitsmaßnahmen bedingt durch die Technik ungleich ausgefeilter sind. 

Maximal empfehlenswert. 

Helga König

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Rezension: Zauberberge-Andreas Lesti- Bergwelten



Dieses Buch des Autors Andreas Lesti trägt den Untertitel "Als es die Dichter und Denker auf die Schweizer Gipfel zog." Untergliedert ist es in einen Prolog drei Kapitel und den Epilog. 

Im Prolog erzählt der Autor von seiner ersten Reise in die Schweizer Alpen im März 2020 als sich plötzlich "ganz Mitteleuropa im Krisenmodus befindet". Lestis Ziel war Davos, Sils Maria und Zermatt, um dort etwas über Thomas Mann, Friedrich Nietzsche, Theodor W. Adorno, über Krankheit, Wahnsinn, Schönheit und Tod herauszufinden. 

Erst eineinhalb Jahre später kann er aufgrund von Corona und den damit verbundenen Einreisesperren sein Vorhaben umsetzen. Er reist nach Davos und zwar genauso, "wie es Hans Castrop in Thomas Manns Roman "Der Zauberberg" gemacht hatte“.  Noch immer ist es von Norddeutschland aus eine elfstündige Zugreise, quer durch Deutschland und die Schweiz. Lesti liest im Zug den "Zauberberg", hat allerdings einen Stapel weiterer Bücher im Gepäck, darunter Adornos "Minima Moralia" und Nietzsches "Also sprach Zarathustra", Bücher von Autoren, die vor ihm einst an den Orten waren , wo hin nun möchte:  so u.a. nach Davos. 

Davos war einst eine Hochburg für Tuberkuloseerkrankte und solcher, die sich diesen Anschein geben wollten. Es galt in manchen Kreisen als schick, schwindsüchtig zu sein. 

Der Autor berichtet von dem Mediziner Alexander Spengler, er hatte einst- damals noch als Jurastudent-, an der Märzrevolution von 1848 teilgenommen und war nach Zürich geflohen- ähnlich wie Georg Büchner. Spengler wurde nach seinem Studium Landschaftsarzt in Davos und entdeckte, dass die gute Luft des Ortes Symptome bei vermeintlich Schwindsüchtigen verbesserte. Daraufhin bewarb er, wenn auch vielleicht nicht bewusst-, die gesundheitsfördernde Wirkung des Hochgebirgsklimas. Ein wissenschaftlicher Beweis hierfür gäbe es allerdings bis heute nicht. Selbst nachdem Robert Koch 1882 entdeckte, dass Bakterien Tuberkulose verursachten, glaubten die Menschen, dass Davos der einzige Ort sei, wo man von TBC geheilt werden könne. 

Lesti schreibt, dass die "Weiße Pest", sprich TBC, im 19. und bis zum 20. Jahrhundert die häufigste krankheitsbedingte Todesursache in Europa gewesen sei. Der Autor zieht Parallelen zu Corona, eine Krankheit, die ebenfalls durch Tröpfcheninfektion übertragen wird. In Künstlerkreisen soll Tuberkulose einst positiv gesehen worden sein, weil man sie als erkenntniserbringend und das Leben intensivierend deutete. 

Lesli schreibt von den Gästen im damaligen Davos und hier allen voran von Thomas und Katia Mann. Das Leben im "Waldhotel", Thomas Mann blieb nur 4 Wochen dort, inspirierte ihn zu seinem Roman Zauberberg. Man liest darüber viel Wissenswertes aber auch wie aus dem Mekka der Schwindsüchtigen die "Sonnenstadt im Hochgebirge" wurde und seither Skifahren sowie Klettern angesagt ist. 

Erstaunt ist man über die vielen Persönlichkeiten, darunter auch Hermann Hesse und Ludwig Kirchner, die der Stadt Glanz verliehen. 

Im 2. Kapitel dann geht es um Sils Maria südlich von St. Moritz, wo der Philosoph Friedrich Nietzsche, auch Ernst Jünger u.a. Intellektuelle einst hin pilgerten. Im dortigen "Hotel Waldhaus" logiert auch Theodor Adorno und  Albert Einstein, auch Thomas Mann, Friedrich Dürrenmatt, Erich Kästner, Chagall, um nur einige zu nennen. Offenbar fanden alle dort den inspirativen Kick, der ihren Werken den letzten Schliff gaben.

Es ist spannend, sich durch die vielen Anekdoten zu lesen, mit denen man in diesem Buch konfrontiert wird und Einblicke in die Geisteswelt der Dichter und Denker zu bekommen, vor allem auch Buchtipps, die zum Weiterlesen anregen. 

Im 3. Kapitel dann geht es um Zermatt, kein Ort zum kränkeln oder philosophieren...! Hier geht es ums Bergsteigen und um die Erstbesteigung des Matterhorns, aber auch um Adorno, der in Zermatt an einem Herzinfarkt starb. 

Abgerundet durch den Epilog, lässt der Autor eine zufriedene Leserin zurück, die sich keine Sekunde gelangweilt hat und neugierig ist, auf all die Literaturhinweise am Ende des Buches. O.k., das ein oder andere  Buch kennt sie bereits.

Maximal empfehlenswert. 

Helga König

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Rezension: Rückkehr- Willi Achten- Piper


"Sie werden immer seltener" fuhr er fort. "Es handelt sich um Wiesenvögel. Die Messer der Mähdrescher sind gnadenlos, und die Pestizide, die die Bauern auf Feldern und Wiesen ausbringen, tun das ihrige- sie töten Insekten. Und ohne Insekten keine Nahrung für die Vögel. Hört gut zu, das ist der Klang des Sommers. Man wird ihn nicht mehr lange hören. Vielleicht auch hier in den Bergen nicht.“ ("Rückkehr", Willi Achten, S.28) 

Jakob Kilv, der Protagonist dieses bemerkenswerten, neuen  Romans von Willi Achten kehrt nach über zwanzig Jahren zurück in das Alpendorf, wo er seiner Kindheit und Jugend verbracht hat. Seine Mutter und sein Vater leben nicht mehr. Er zieht in sein Elternhaus, das bereits eine ganze Weile leer stand und beginnt es zu renovieren. Will er bleiben?

Es gibt Klärungsbedarf für Jakob im Hinblick auf die Ereignisse, die einst zu seinem überstürzten Weggang aus dem Bergdorf führten, wo er enge Freunde hatte und wo auch seine Jugendliebe lebte. Alle, bis auf seine Eltern sind noch da. 

Was haben die einstigen, fatalen Geschehnisse mit den Menschen gemacht und um welche Geschehnisse handelt es sich? 

Jakob bewegt sich als Ich-Erzähler auf zwei Zeitebenen. Im Gestern und im Heute. Im Gestern lernen wir u.a. seinen Vater, einen Vogelliebhaber, der ornithologische Schriften anfertigt, kennen. Dessen berufliche Aufgabe besteht darin, Flugzeuge und deren Passagiere vor Vogelschwärmen zu schützen. Bei einem Falkner in den Alpen sucht er nach einer natürlichen Möglichkeit, Singvögelschwärme von den Triebwerken der Flugzeuge zu vertreiben. Man wird Zeuge von dem, was sich beim Falkner zuträgt, lernt die Grausamkeit der Natur kennen, erfährt aber im weiteren Handlungsverlauf auch von der Liebe Jakobs Mutter zur klassische Musik und von den unausgesprochenen Spannungen, die sich aufgrund der unterschiedlichen, vielleicht über Gebühr gerittenen Steckenpferde der Eltern auf Dauer für sie ergeben. Diese, viel Zeit verschlingenden Steckenpferde treiben die Eheleute schließlich auseinander.

Naturschutz ist für Jakobs Vater und Jakobs Freunde ein zentrales Thema. Dabei steht sein Freund Bruno seinem Vater wohl am nächsten, vielleicht weil dieser so ist wie er selbst gerne noch wäre.

Auch Jakobs Mutter fühlt sich zu dem Abenteurer Bruno hingezogen und geht schließlich ein Verhältnis mit ihm ein. Das hat tragische Folgen, denn Jakobs Vater glüht vor Eifersucht… 

Jakob ahnt von diesen Verwicklungen, ist aber zu sehr mit sich und seiner Liebe zu Liv beschäftigt und natürlich mit seinen Umweltaktivitäten, die er gemeinsam mit seinen Freunden unternimmt. An diesen spannend beschriebenen Aktivitäten nimmt der Leser teil. Sie nehmen einen erfreulich breiten Raum der Romanhandlung ein und lassen Bewusstsein für das entstehen, was in den Alpen schief läuft. 

Zwei Skigebiete sollen zusammengelegt werden. Deshalb möchte der "geschäftstüchtige" Bolltner die Kuppe des "Weißkogels" wegsprengen. Hundert Höhenmeter sollen "wegradiert" werden und dabei "einhundertneunzigtausend Kubikmeter Stein und Erde ins Tal donnern". Darüber hinaus soll das neu entstehende Plateau zu einer fahrbaren Hangfläche ausgebaut werden, "inklusive neuer Seilbahnen, Restaurants und Bars oben auf dem geschundenen Berg."

Der Kampf mit Bolltner radikalisiert die Freunde. Das hindert Jakob aber nicht daran, weiterhin in Liv unsterblich verliebt zu sein und es über die Zeiten hinweg zu bleiben. "Sie war die Schöne, die keiner vergisst, die bleibt. In den Träumen.", wird er, zurückgekehrt, denken. Doch er weiß auch "Ich bin ein Gast hier im Dorf, nicht mehr. Wer ist im Leben eines anderen schon mehr als ein Gast? Niemand, der uns bleibt vom ersten bis zum letzten Tag. Niemand, der uns kennt an allen Tagen. Wir teilen bestenfalls ein paar Jahre, Jahrzehnte der Freundschaft, der Liebe, bevor wir uns verlieren. Auf die ein oder andere Art."

Jakob erkennt- zurückkehrt - genau dies aber auch, was einst  zu dem Unheil führte, das ihn all das, was seine Kindheit und Jugend ausmachte, verlieren ließ und ihn mithin seines einstigen Lebensmittelpunktes beraubte. Die Rückkehr hat ihn befreit vom Zweifel eines ungeklärten Gestern.

Maximal empfehlenswert 

Helga König

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