"Chagall, spiel die Geige des Himmels"- "Die Seele ist immer Jetzt." (Imre Török)
Imre Török, der Autor dieses Romans ist Mitglied im P.E.N.-Zentrum Deutschland, im Verband deutscher Schriftsteller (VS) und im ungarischen Schriftstellerverband.
Seine Protagonistin im vorliegenden Buch ist Djavidan Hanum, die gebürtige Gräfin May Török von Szendrö (1877-1968). Sie ist eine Verwandte von ihm, die einige Jahre in Berlin lebte und dort einst ihr Buch "Harem" veröffentlicht hat.
Die Pianistin und spätere Schriftstellerin Djavidan war mit dem Vizekönig von Ägypten verheiratet. Diese Ehe machte es möglich, dass sie später die "Häuser der Glückseligkeit" durch ein Buch entschleiern konnte. Nach ihrer Scheidung lebte die Aristokratin zunächst in Wien und danach u.a. in Berlin, wo sie auf den ungarischen Diplomaten Andreas trifft, der sie auf ihrer Mission begleitet. Später dann begegnet ihr die Balletttänzerin und Sängerin Sophie, die einst in Weimar am Staatstheater engagiert war. Bei den zuletzt genannten Romanfiguren handelt sich um die Eltern Imre Töröks, dessen Roman in Berlin, Istanbul, in Ägypten, in Weimar und im KZ- Buchenwald spielt und teilweise sehr surreal angelegt ist.
Die Romanhandlung spielt in den Jahren 1942/43 und setzt sich kritisch mit dem damaligen System in Deutschland auseinander. Der Romancier bringt es auf den Punkt, wenn er in den Text einfließen lässt: "Die Hitlerianer sind nicht nur Rassenhasser. Sind auch Frauenhasser."(39),denn die Frauen waren damals "zum Jubeln verdammte Soldatengebärmütter."(39).
Das Schöne war für die schwarze Energie, die den Totenkopfkriegern innewohnte, niemals erreichbar, weil die "Schönheit des Gewissens" ihnen unzugänglich war.
Djavidan bringt Andreas im Laufe des Romans, in welchem Reales und Irreales sonderbar verschwimmt, alltägyptische Magie, auch allägyptisches philosophisches Schönheitsdenken nahe und reflektiert die Abhängigkeit, die zwischen Gutem und Bösem besteht.
Dabei sollte man wissen, dass Schönheit in der Vorstellung der Ägypter ein Idealzustand war. Dieser bezog sich nicht nur auf die Äußerlichkeit, sondern auch auf die innere Vollkommenheit des Menschen. So machten speziell Tugendhaftigkeit, gutes Benehmen und moralische Perfektion den Menschen schön und beliebt bei den Göttern. Das Prinzip der "Schönheit" war keineswegs auf das diesseitige Leben begrenzt, sondern galt auch darüber hinaus. *
An Kafkas berühmtes Zitat erinnernd, schreibt Török "Das gefrorene Meer des Krieges und die eiskalten Kriegstreiber waren an allem schuld, am Elend der Millionen, am Wahnsinn an allen Fronten, am Leiden in bestialischen Lagern, in zerbombten Städten."
Die ungarische Grafenfamilie Török beobachtet das Treiben des Bösen u.a. am Beispiel der KZ-Wärterin Ilse Koch und des Guten am Beispiel der Widerstandskämpferin Sophie Scholl.
"Die Seele ist immer Jetzt", so liest man. Deshalb auch können Djavidan und die allägyptische Pharaonin Nofretete miteinander kommunizieren und zwar auf einer Meta- Ebene, dort wo man auch mit Bäumen sprechen kann und von diesen verstanden wird, dort wo Traum und Alptraum nicht als Gegensatz begriffen werden, dort wo die Gedanken den Empfänger erreichen, ohne dass technische Hilfsmittel notwendig sind.
Es gilt die Dualität zu begreifen, lehrt uns dieser Roman. Todesboten und Lichtbringer weisen den Weg dorthin, wo die Menschheit sich in Gänze mit der Göttlichkeit des Alls vereinigt.
In allen Jahrtausenden begegnen uns Lüge, Hass und Gewalt, aber auch Mitgefühl und Liebe. Nichts hat sich geändert seit dem Altertum, auch die NS-Zeit, in ihrer unglaublichen Perfidie war letztlich ein Wegweiser hin zu einer Welt, die der Dualität endlich abschwört und sich der wahren Aufgaben des Menschseins zuwendet: Der Schaffung einer Welt, die lichtdurchflutet, keine Dunkelheit mehr kennt.
"Chagall, spiel die Geige des Himmels" - " Die Seele ist immer Jetzt", so die Aufforderung und zentrale Botschaft Imre Töröks, die für aufmerksame Leser wegweisend sind.
Sehr empfehlenswert.
Helga König
*vgl: Archäologie
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