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Rezension:Die Nacht vor der Scheidung (Gebundene Ausgabe

Sandor Marais Roman " Die Nacht vor der Scheidung " wurde erstmals 1935 in Budapest verlegt. Die in die Handlung eingeflochtene Gesellschaftsstudie steht unter dem Einfluss des zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Psychoanalytikers Sigmund Freud. Große Themen des vorliegenden Buches nämlich sind : Hysterie sowie Frigidität und die daraus resultierenden Folgen. Marai geht es offensichtlich darum, die fatalen Merkmale einer Epoche zu verdeutlichen und darauf aufmerksam zu machen, dass ein zu enges Korsett der Konventionen Auslöser so mancher Tragödie sein kann.

Am Vorabend vor der gesetzlichen Trennung von seiner Ehefrau besucht der nachdenkliche, psychisch unausgeglichene Arzt Imre Greiner, unverhofft, seinen Jugendfreund, der ihn ,in seiner Funktion als Richter, tags darauf von seiner Gemahlin rechtmäßig scheiden soll. Greiner dröselt auf, weshalb die Beziehung zu seiner Frau zerbrach. Seine Erwartungshaltung gegenüber Anna, seine Vorstellung von " völliger Hingabe " und nahezu symbiotischer Vereinigung ließen sich in der Realität nicht umsetzen. Diese Erkenntnis führte dazu, dass die beiden Personen letztlich auseinander gedriftet sind. Imre analysiert die eigentliche Ursache: " Es fallen Familien auseinander, es flüchten Menschen in den Tod und verlieren ihre Arbeitslust, vernachlässigen ihr Handwerk, ihre soziale Verantwortung, die Gefühle erkalten und gehen verloren oder sie werden staubig, und eines Tages zerfällt das Leben in seine Bestandteile...Und hinter allem finde ich einen frigiden Lebensgefährten." Die Frigidität deutet er als eine Folge sozialer Probleme. Als Triebfeder begreift Imre Erziehung, das Milieu, die Angst, " alles , was der Preis der Zivilisation ist ." Er gelangt zu dem Ergebnis, dass in seiner Gesellschaftsklasse die meisten Frauen frigide sind.Der Versuch seine Gattin zu heilen mißlingt. Doch Imre besitzt nicht die Haltung seines Freundes sich leidenschaftlos in den Ehealltag einzufinden. Die emotionale Distanz wird für ihn, gleichwohl auch für Anna, zu einem unauflösbaren Problem.Weshalb Imre Greiner am folgenden Morgen dennoch nicht mit seiner Frau gemeinsam vor Gericht erscheinen wird, erfährt der Leser auf den letzten Seiten dieses hervorragend geschriebenen Buches.


Rezension: Der Untertan- Heinrich Mann

"Wer die Macht übt, ist ihr Knecht nicht weniger, als wer sie duldet.Der Tyrann leidet unter der Menschheit, wie sie unter ihm.",



Heinrich Mann hat mit Dietrich Heßling, dem Protagonisten des vorliegenden Romans, eine typisch deutsche Figur geschaffen, die des despotischen Strebers, der sich feige und erbärmlich erweist, des Obrigkeitshörigen, des Unpolitischen ohne Mut und Zivilcourage.

Mit Dietrich Heßling wird eine Vorgestalt des Nazi enthüllt, welche das Zeitalter für Jahrzehnte prägte.Heßling zeigt bereits in der Schulzeit Eigenschaften, die voll entfaltet, Kennzeichen des Nationalsozialismus sind. Beispielsweise tut er sich hervor mit der Mißhandlung des einzigen jüdischen Mitschülers. " Was Dietrich stark machte, war der Beifall ringsrum...Wie wohl man sich fühlte bei geteilter Verantwortlichkeit und einem Schuldbewusstsein, das kollektiv war."

Bei dem von Karrieristen und windigen Geschäftemachern provozierten Majestätsbeleidigungsprozess, dem Kernstück der Handlung, in dem Heßling als Hauptbelastungszeuge auftritt, bezeichnet der skeptische , liberale Anwalt den forschen, deutschvölkischen Untertanen als neuen Typus, der sich wie folgt outet:" Das Prahlerische des Auftretens, die Kampfstimmung einer vorgeblichen Persönlichkeit, das Wirkenwollen um jeden Preis, wäre er auch von anderen zu bezahlen. Die Andersdenkenden sollen Feinde der Nation heißen und wären sie ein Drittel der Nation..."

Die Substanz des Untertanen war die Verehrung der Macht, wie Mann am Beispiel Heßlings verdeutlicht, war aber auch der profitable Gehorsam, die karrierefördernde Gesinnung, das prämierte Denunziantentum.Heinrich Mann erkannte die Untertanenmentalität, deren Hauptfeind, die Aufklärung und der Freisinn ist. Mit dem Sieg des Untertanen, das wird im Roman deutlich, dankte das Zeitalter der Aufklärung ab.

Rezension:Roter Regen: Leichte Geschichten (Gebundene Ausgabe)

Cees Nooteboom las im Dezember 2008 in Frankfurt am Main im Literaturhaus aus " Roter Regen " drei beeindruckende Geschichten vor. Während er las, beobachtete ich den Vortragenden die ganze Zeit. Dieser für sein Alter blendend aussehende Mann strahlte eine abgeklärte Gelassenheit aus, wie ich sie selten bei einem Menschen gesehen habe. Die Ursache hierfür,- dies ist mir seit der Lektüre seines Buches klar geworden-, sind ganz gewiss seine vielen Reisen, die er im Laufe seines Lebens unternommen hat. Wer soviel gesehen hat, verändert seinen Blickwinkel immer wieder neu und wird, wenn er dabei sehr reflektiert vorgeht, weise. Nooteboom ist es, wie sein jüngstes Werk verdeutlicht.

" Roter Regen " beinhaltet eine Vielzahl autobiographischer Erlebnisse. Geschichten aus dem Jetzt und aus dem Gestern sind aneinandergereiht, teilweise auch verwoben und machen begreifbar, wodurch dieser Schriftsteller zu dem Menschen wurde, der er heute ist.

Man liest von seinen Aufenthalten auf Menorca, wo er ein Sommerhaus besitzt, von seiner Liebe zu lukullischen Genüssen, auch von seinen Kochkünsten, die er mit viel Selbstironie zu zelebrieren weiß.
Das Leben auf der Insel, die Menschen dort, auch die Abgeschiedenheit sind ihm Zeilen wert. Hier hat er Assoziationen, die ihn in eine andere Zeit, in sein frühes Gestern zurückversetzen. Nooteboom klagt über seine Vergesslichkeit, die allerdings nichts mit seinem Alter zu tun hat. Seine Figuren, seine Erlebnisse sind irgendwann alle in seine Geschichten und Romane eingeflossen. Immer formte er sie auf irgendeine Art um, hauchte ihnen neues Leben ein, doch dadurch waren die realen Personen und Ereignisse plötzlich aus seinem Gedächtnis verschwunden und unauffindbar.....

Er überdenkt das Altwerden und konstatiert, dass eine der Eigentümlichkeiten dieses Altwerdens darin besteht, dass fast alles Erinnerungen wachruft. So erinnert er sich in seinen Geschichten an Vieles, das lange zurückliegt. Aber er lässt auch nicht unerwähnt, dass seine Geduld mit Schwätzern deutlich nachgelassen habe und die Kritik seitens einer neuen, unbedarften Generation von ihm abtropfe. Nooteboom ist ehrlich. Das gefällt mir.

Er erzählt von Reisen in den 50er Jahren, seiner ersten überhaupt mit dem Fahrrad von den Niederlanden nach Belgien und Luxembourg, seinen Tagebucheintragungen und seiner Verwunderung über den Menschen, der er einmal war. Eine Italienreise und weitere Reisen durch Europa folgen, zu diesem Zeitpunkt hat er die Schule schon verlassen auch seine Anstellung bei der Bank aufgegeben. Er ist 21 Jahre alt und schreibt aufgrund seiner Reiseeindrücke sein erstes Buch " Philip und die anderen ". Er berichtet von der Entstehungsgeschichte und erzählt auch wie er aufgrund dieses Buches seinen späteren Freund Rüdiger Safranski kennenlernt.

In einer der hier vorliegenden Geschichten schreibt er: " Fünf Freunde, Philipp Mechanicus, Rüdiger Safranski, W. L Brugsma, Eddy Hoornik, Eddy Posthuma de Boer, Scherze, Geheimnisse und Erinnerungen, ferne und nahe Reisen, einmalige und immer andere nostalgische und abenteuerliche, bange und heitere, viel davon vergessen und doch unvergesslich. Viel mehr braucht es nicht." Das ist Cees Nooteboom. Er reist nach Marokko, nach Trinidad, lernt den König von Surinam kennen, erinnert sich an Ibiza im Jahre 1957, und hält sich irgendwann in England auf. Überall sammelt er Eindrücke, selbst auf Tonga in der Südsee. Ein guter Beobachter, der nicht grundlos festhält " wir schreiben immer schon lange, bevor wir schreiben ".

Dieses Schreiben vor dem Schreiben fand bei Nooteboom zweifelsfrei während seiner vielen Reisen statt.


Rezension: Teleny. Der Priester und der Messnerknabe. Nachw. Glaser, Horst Albert (Gebundene Ausgabe)

Ein Kuss ist etwas mehr als der erstbeste sinnliche Kontakt zweier Körper, es ist der Hauch zweier verliebter Seelen" (Wilde) 

Der vorliegende Liebesroman "Teleny" erschien 1893, ein Jahr bevor man Oscar Wilde wegen homosexueller Vergehen den Prozess machte und ihn zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilte. Im lustfeindlichen, doppelmoraligen, spätvictorianischen England jener Tage galt dieser Text als skandalös und wurde auch noch später lange Zeit von den Herausgebern der Werke Oscar Wildes übergangen.

Wilde beschreibt in diesem Roman die innige Liebesbeziehung des französischen Dandy Camille und des ungarischen Pianisten Teleny. Die beiden Protagonisten sind Anfang zwanzig. Camille ist sexuell noch gänzlich unerfahren, Teleny , wie sich herausstellen wird, bisexuell. Camille verliebt sich während eines Konzertes in Teleny, der ihn unerwartet während eines nächtlichen Spaziergangs küsst und ihn auf diese Weise sexuell entflammt. Camille kann nur noch an den Pianisten denken, sehnt sich nach seiner Nähe, verbietet sich allerdings zunächst gedanklich sexuelle Begehrlichkeiten . Dennoch begreift der junge Mann jetzt, weshalb er Frauen gegenüber bislang keine wirklichen erotischen Ambitionen hegen konnte. Trotz dieser Erkenntnis unternimmt er geradezu verzweifelte Versuche sich lustvoll die Sexualität mit dem weiblichen Geschlecht zu erschließen, aber es gelingt ihm nicht, denn seine Gedanken sind stets bei Teleny.

Durch seine starke Zuneigung hellsichtig geworden, sieht er diesen beim Liebesspiel mit einer schönen Frau und stirbt beim Anblick der ausführlich beschriebenen Handlungen tausend Tode. Als Camille dann noch feststellen muss, dass Teleny eine Affäre mit einem anderen Künstler hat, den Camille von Kindesbeinen an kennt, entschließt es sich Selbstmord zu begehen, wird jedoch von Teleny daran gehindert.

Der Pianist gesteht dem Dandy seine leidenschaftliche Liebe, bekundet, dass er während sexueller Handlungen mit Dritten nur an ihn gedacht habe. Durch dieses ehrlich gemeinte Geständnis bewirkt er, dass die beidseitige Liebe alsbald ihren Ausdruck in einer sie beide vollkommen erfüllenden Sexualität findet, die trotz häufiger Kopulationen sogleich immer wieder neues gegenseitiges Begehren hervorruft.
Obgleich die beiden ganz offensichtlich verrückt aufeinander sind und voneinander nicht lassen können, führt ihre Romanze zu einem tragischen Ende, weil die Zeit für ihre homoerotische Beziehung mit enormer Gefühlstiefe wohl noch nicht reif war.

Als Gegenbild zu dieser wahren Liebe, in der Seele, Geist und Körper heftigst zueinander streben, beschreibt der Autor für die victorianische Zeit geradezu schonungslos sexuelle Handlungen zwischen Prostituierten im Bordell, ebensolche während einer Orgie unter Homosexuellen, desweiteren beschreibt er detailliert sexuelle Handlungen zwischen Mann und Frau, bei denen die Liebe nicht beidseitig vorhanden ist. Er thematisiert sogar Vergewaltigung, um die Abgründe von sexuellem Tun aufzuzeigen, das aus reinem Triebverhalten hervorgehen kann.
Ziel dieser Beleuchtungen , die vordergründig den Anschein erwecken, als habe Wilde beabsichtigt ein pornographisches Werk zu Papier zu bringen, ist meines Erachtens darzustellen, worin sich sexuelle Handlung, die nicht Ausdruck einer innigen Seelenbeziehung ist, von solcher unterscheidet, die auf gegenseitiger , inniger Liebe beruht.

Solch eine leidenschaftliche Liebe, gleichgültig ob zwischen gleich- oder gegengeschlechtlichen Menschen kann sich für Wilde nur in jungen Jahren ereignen:

" There ist a love that is to last,
When the hot days of youth are past"

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