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Rezension: Danach-Rachel Cusk- Suhrkamp


Rachel Cusk, die Autorin dieses Romans lebt in England und hat bereits zehn Romane sowie vier Sachbücher verfasst. Eva Bonné, die schon zweimal mit dem Hamburger Förderpreis für Literarische Übersetzung ausgezeichnet wurde, hat diesen Roman sehr einfühlsam übersetzt. 

Die Icherzählerin, eine Schriftstellerin, hatte, wie sie schreibt, sich nach der Geburt ihrer Töchter dazu entschieden, in ihrem Beruf weiterzuarbeiten. Ihr Ehemann, ein erfolgreicher Fotograf erklärte sich bereit, Hausmann zu werden. 

Das Buch beginnt mit den Sätzen: "Kürzlich haben mein Mann und ich uns getrennt, und im Laufe weniger Wochen brach unser gemeinsam gestaltetes Leben  auseinander wie ein Puzzle, das in seine Einzelteile zerlegt wird." 

Die Schriftstellerin, eine Intellektuelle, überdurchschnittlich gebildet, versucht zu verstehen, was sich da ereignet hat, reflektiert ihren Feminismus und kommt dabei zum Ergebnis, dass dies, was sie als Feminismus lebte, im Wahrheit eine Ansammlung männlicher Werte war, die ihre Eltern und andere Menschen ihr mit bester Absicht vermacht hatten - das Crossdressingvorbild ihres Vaters, die antifemininen Ideale ihrer Mutter, wie sie sie nennt. Es wird ihr klar, dass sie keine Feministin ist, sondern ein von Selbsthass erfüllter Transvestit. 

Dieser Selbsthass durchzieht das gesamte Buch. Sie erkennt, dass die Frau in ihr im Laufe der Zeit krank geworden ist, weil ihre Belohnung zu gering ausgefallen sei, wie sie es deutet. Sie habe sich aus der Küche und von ihren Kindern ferngehalten, einerseits um der Weiblichkeit ihres Mannes Raum zu lassen, andererseits auch, um ihre männlichen Ansprüche zu besänftigen. 

Die Icherzählerin erkennt, dass sie sich nach jenem Prestige sehnt, das dadurch entstünde, dass man seine Kinder ertrage. Sie ärgert sich, dass der Teil der Hausarbeit, den sie erledigt habe, im Dienst des Prestiges ihres Gatten gestanden und sie darüberhinaus ihre weibliche Seite optisch vernachlässigte habe. Ihre Ehe zerbröselt an ihrer Unzufriedenheit, am Bedürfnis ihre Integrität zurückzugewinnen, wie es scheint. 

Sie unternimmt geistige Spaziergänge ins alte Griechenland und bemüht dort die Sagenwelt, um von hier aus zu Erkenntnissen zu gelangen wie etwa, dass ein Paar, das in der Öffentlichkeit streitet, wie ein blutender Körper anmute. Dabei nennt sie es interessant, wie viel die Menschen verzeihen und tolerieren, so lange sie glauben. Doch sobald sie zweifelten, tolerierten sie nichts mehr. 

Am Beispiel der Griechin Klytaimestra erklärt sie übrigens u.a. den Titel des Buches "Danach". Wo ist das Ereignis, dass zum "Danach" in ihrer Beziehung führte? Um das herauszufinden, empfehle ich den Lesern diese nachdenkliche Lektüre, in der der Schlüssel für offene Fragen vielleicht in nachstehender Passage zu finden ist: 

"Ich stellte fest, dass der Anblick der radelnden Familie das intellektuelle Äquivalent eines starken Drinks erfordert, und ich gönne ihn mir in Form einer antiken Tragödie. Dort gibt es keine aufopfernden Mütter und keine perfekten Kinder, keine beschützerischen, pflichtbewussten Väter und keine öffentliche Moral. Es gibt nur die Gefühle, und den Versuch, sie zu zähmen und zu einer Kraft des Guten umzugestalten. In der stürmischen griechischen Welt der Gefühle, des psychologischen Schicksals und der Verquickung von Sterblichkeit und dem Göttlichen bleibt die Frage nach der Autorität ewig und ungelöst. Es ist eine Frage, die auch mich beschäftigt. Was wird die Autorität sein, und woher soll sie in meinem postfamiliären Haushalt kommen?“ 

Es scheint nicht einfach zu sein, intellektuell und emotional unbeschadet in ein "Danach" zu gelangen, wie dieser Roman verdeutlicht, selbst für sehr nachdenkliche Frauen nicht.

Sehr empfehlenswert. 
Helga König

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