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Rezension: Die Vermessung der Welt- Daniel Kehlmann

Die Protagonisten dieses Romans sind die Naturforscher Freiherr Alexander von Humboldt und der Mathematiker Carl Friedrich Gauß. Obgleich beide Ende des 18. Jahrhunderts damit beginnen die Erde zu vermessen, lernen sie sich erst viele Jahre später in Berlin persönlich kennen und werden dort in politische Turbulenzen hineingezogen, die auf diese, sich mit Zahlen und Fakten befassenden Männer in erster Linie befremdlich wirken. 

Humboldt, so erfährt man, forschte gemeinsam mit dem Botaniker Aime Bonpland in Mittel- und Südamerika. Er befuhr den Orinoko, wurde dabei unsäglich von Moskitos gequält, bestimmte aber dennoch den Verlauf des Rio Casiquiare, nahm genaue Orts- und Höhenbestimmungen vor und maß immer wieder Temperaturen. 

Später lebte der Aristokrat in Paris und wertete dort die Fakten seiner Expedition aus. Schon beinahe sechzigjährig reiste er, nach vorheriger Absprache mit Gauß, der seine wissenschaftlichen Erkenntnisse lieber zuhause von seinem Schreibtisch aus durch Nachdenken erwarb, an den Ural, um seine Arbeiten fortzusetzen. 

Das mathematische Genie Gauß war Professor für Mathematik in Göttingen. Der Begründer der modernen Zahlentheorie, so erfährt man, befasste sich u. a. mit schwer verständlicher Himmelsmechanik und vermaß das Königreich Hannover. Beide Personen werden vom Autor als sehr eigenwillig gezeichnet. 

Der Humanist Humboldt hat große Schwierigkeiten mit seinen Mitmenschen espritvolle Dialoge zu führen. Durch einen Schwall staubtrockener Zahlen bringt er seine Gegenüber immer wieder zum Schweigen. Er fordert von sich und seinem Umfeld stets viel und ist unnachgiebig, wenn er ein Projekt durchziehen möchte. 

Bonplant, sein französischer Reisebegleiter, lernt in Humboldt einen beinharten, unduldsamen Preußen kennen. Der hochintelligente Gauß empfindet - in Kehlmanns Buch- seine Mitmenschen, insbesondere seine Studenten und seinen Sohn Eugen als unverzeihliche Zumutung. Er leidet darunter, dass die Menschen, wenn überhaupt, nur sehr langsam begreifen. 

Gauß ist geistig seiner Zeit um Meilenschritte voraus und langweilt sich, weil alles nicht schneller vorangeht. Eine Begegnung mit Kant ist für ihn auch nicht ergiebig. Goethe und Schiller nimmt er nicht ernst. Die wahre Erkenntnis lässt sich nur aus den Naturwissenschaften ziehen, alles andere ist für Gauß eher unbedeutend. 

Für die Zahlenakrobaten Gauß und Humboldt besteht die Welt in Linien und Quadraten, mit denen man sich auseinanderzusetzen und die man zu begreifen hat. Das tun die beiden mit unterschiedlichen Methoden. Der Mensch ist für diese beiden Herren kein Forschungsobjekt, sieht man mal davon ab, dass Humboldt irgendwann eine statistische Erhebung über die Anzahl der Kopfläuse von Eingeborenen vornimmt. 

Kehlmann macht in seinem gehaltvollen und dabei spannenden Roman deutlich, dass in jedem Genie auch ein Mensch steckt und man mithin besser vorsichtig sein soll, wenn man sich einer Person nähert, die auf einem Sockel steht. Bei ungeschicktem Blickwinkel könnte man enttäuscht werden, da bekanntermaßen selten wirklich alles stimmig ist. 

Man hüte sich davor einem Genie gottgleiche Züge anzudichten. Kehlmann weiß das. Darüber hinaus hat der Autor hochinteressante, wissenschaftsgeschichtliche Informationen in sein Buch eingeflochten, die dazu anregen,  sich  auf vielleicht ganz neues Terrain zu begeben. 
Empfehlenswert,

Helga König, 16.10.2005


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