Vor einigen Jahren erwarb ich die fünfbändige Kassette "Der Kanon- Die Deutsche Literatur- Essays", die im Insel-Verlag erschienen ist und insgesamt 255 Essays enthält. Dazu hatte ich damals eine allgemein gehaltene Rezension verfasst, die im Mai 2014 der willkürlichen Textzerstörung auf Amazon gemeinsam mit weiteren 3544 meiner Rezensionen zum Opfer fiel.
Heute möchte ich damit beginnen, aus dieser Kasette immer mal wieder, einen Essay zu rezensieren und fange mit Erich Kästners "Über das Verbrennen von Büchern" an. In Zeiten der Digitalisierung ist ein Feuerspektakel übrigens nicht mehr nötig, wenn "Pyrotechniker der Macht" ihr Unwesen treiben.
Kästner beginnt seinen Essay mit dem informativen Satz "Meine Damen und Herren, seit Bücher geschrieben werden, werden Bücher verbrannt" und vergisst auf der Folgeseite auch nicht Heinrich Heines berühmten Worte zu erwähnen, die zwar den spanischen Autodafés galten, aber zur Prophezeiung wurden: "Dort, wo man die Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“
Ja, so war und ist das stets. Es handelt sich um ein fatales Gesetz, dem Zerstörung zugrunde liegt und an dessen Ende verbrannte Erde steht.
Kästner formuliert das so: "Als am 10. Mai 1933 die deutschen Studenten in allen Universitätsstädten unsere Bücher tonnenweise ins Feuer warfen, spürten wir: Hier vollzieht sich Politik, und hier ereignet sich Geschichte. Die Flammen dieser politischen Brandstiftung würden sich nicht löschen lassen. Sie würden weiterzüngeln, um sich fressen, auflodern und Deutschland, wenn nicht ganz Europa in verbrannte Erde verwandeln. Es würde so kommen und es kam so. Es lag in der Unnatur der Sache.“ (S. 90).
Der Essayist erwähnt Bücherverbrennungen, die zu allen Zeiten stattfanden, so bei den religiösen Fanatikern Savonarola und Calvin, bei den Puritanern, auch bei den Dominikanern und anderen Meinungsunterdrückern mehr.
Die Flamme fraßen die Werke von Ovid, auch von Dante von Erasmus, Voltaire und Rousseau, lange bevor 1933 - initiert von einem Akademiker und späteren Verlagslektor - der deutsche Geist, der in den Augen dieses Mannes "Ungeist" war, verbrannt wurde.
Kästner schreibt die Tat analysierend "Der Neid, der keinen Weg sieht, begibt sich auf den einzigen Ausweg: ins Verbrechen. Wer den Tempel der Artemis nicht bauen kann- aus gebürtigem Unvermögen, und da er schon in der Sonne schimmert, der ephesische Tempel-, der muss zur Fackel greifen und ihn anzünden.“, (S.88).
Neid also ist die Ursache für derartige Hassentladungen, die heuzutage digital "sauberer" bewerkstelligt werden können.
Kästner zitiert Tacitus, der von der Schreckensherrschaft des Kaisers Domitian berichtet"… Während in fünfzehn Jahren… gerade die geistig Lebendigsten durch das Wüten des Führers umkamen, sind wir wenigen… nicht nur die Überlebenden von anderen, sondern auch von uns selber, weil ja mitten aus unserem Leben so viele gestohlen wurden, in denen wir von jungen zu alten Männern geworden sind, … indessen wir zur Stummheit verurteilt waren.“ (S.89)
Kästner nennt Autoren, deren Bücher 1933 verbrannt wurden. Wer sich in deutscher Literatur auskennt, weiß, dass es Bücher sehr kluger, heute weltweit anerkannter Schriftsteller gewesen sind. Es waren Bücher von Hunderten von Autoren, die dem Terror zum Opfer fielen. Gespeist wurde die Zerstörungmaßnahme von blindem Hass und grenzenlosem Neid. Schon Salomon wusste: "Es gibt nichts Neues unter Gottes Sonne."
Kästner weiß aus eigener Erfahrung, dass keiner wirklich sagen kann, ob er mutig Widerstand leisten würde, wenn eine solche Zumutung ihm entgegengebracht würde und ist überzeugt, dass niemand weiß, ob er sich in solchen Fällen zum Helden eignet. Deshalb kommt er zum Ergebnis "Kein Volk und keine Elite darf die Hände in den Schoß legen und darauf hoffen, dass im Ernstfall, im ernstesten Falle, genügend Helden zur Stelle sein werden.“ (S.95).
Genauso ist es. Wir müssen lernen, achtsam zu sein und in den Anfängen unnachgiebig Grenzen ziehen. Später lodern die Feuer bis am Ende nur noch verbrannte Erde bleibt.
Genauso ist es. Wir müssen lernen, achtsam zu sein und in den Anfängen unnachgiebig Grenzen ziehen. Später lodern die Feuer bis am Ende nur noch verbrannte Erde bleibt.
Empfehlenswert.
Helga König
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