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Rezension: Simonettas Schatten-Eine Erzählung über die Unbelehrbarkeit des Schönen-Ludwig Drahosch- Verlag Margarete Tischler



Blickt man auf den Buchdeckel dieser Erzählung, so fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt. Das edle Design, das das Portrait in der Mitte umgibt, erinnert an ein Stoffmuster aus der Renaissance. Neugierig fragt man sich deshalb, ob die abgebildete junge Frau Simonetta Vespucci sein soll, die als die schönste Frau ihrer Zeit gegolten hat. Was hat die Erzählung des Künstlers Ludwig Drahosch mit deren Schatten zu tun? Und worin besteht dieser Schatten überhaupt? 

Die einzelnen Kapitel der Erzählung beginnen jeweils mit einem Zitat eines Kunst-Schaffenden aus der Renaissance. In all diese gut gewählten Sentenzen sollte man sich zunächst stets vertiefen, denn sie dienen dem Textverständnis. 

Ort der Handlung ist Florenz. Die Protagonisten sind der betagte Maler und Kunstkenner Giorgio und die junge, bildschöne Schauspielerin Genoveva. Giorgio malt schon seit Langem keine Bilder mehr, denn sein Stil ist nicht mehr gefragt. Er ist der Renaissance verhaftet, versteht wie kein zweiter deren Bekenntnis zum Schönen, für das die Stadt Florenz der überwältigende, sichtbare Ausdruck ist. Er kennt diese Stadt, ihre Architektur und ihre Maler, liebt ihre Gassen und schätzt die versteckte Cafeteria, in der er allabendlich seinen Portwein genießt und kunstsinnigen Gedanken nachgeht, an denen die Leser teilhaben dürfen. 

Giorgio liebt die Schattenspiele an der Wand der Kirche, die er vom Fenster der Cafeteria aus bestaunen kann. Mit diesen Bilderwelten kommuniziert er. Er scheint auf geheimnisvolle Weise aus der Zeit gefallen, in gewisser Weise Teil der Kunstgeschichte zu sein, er, der am Leben im Hier und Jetzt nicht mehr glaubhaft teilnehmen möchte, weil es ohne Poesie und Sinn für das Schöne ist. Wann und wieso haben die Menschen sich dieser wertvollen Schätze entledigt und vor allem weshalb? 

Im Dämmerzustand der Zeitlosigkeit lernt er seine neue Nachbarin Genoveva kennen, deren Schönheit ihn überwältigt. Er beobachtet sie von seinem Zimmer aus, bewundert sie auf ihrem Balkon und überredet sie, diesen umzugestalten, um ihn als Bühnenbild der Renaissance szenisch aufleben zu lassen. Die Architektur des Hauses soll mit den Stoffen und der Dekoration des Jetzt eine Einheit bilden. Nichts soll die Authentizität  der Renaissance stören. Die schöne Genoveva wird Teil dieses Bühnenbildes und auf diese Weise die Muse von Giorgio so wie einst Simonetta Vespucci die Muse von Sandro Botticelli war. 

"Musen sterben nie, Giorgio" liest man auf Seite 89 der Erzählung, in der die Zeiten verschwimmen und der Tod überwunden scheint, sobald man sich dem Geheimnis des Schönen öffnet, es bejaht, ohne es verstehen zu wollen, weil es intellektuell nicht wirklich zu entschlüsseln ist, da es jenseits des Goldenen Schnitts oder der Sphärenmusik immer noch vorhanden zu sein scheint. Das Schöne war Giorgios letztes Rätsel, für das es Wert war zu sterben. 

Der alte Mann beginnt wieder zu zeichnen und zwar mit Kohlestückchen, die alle Kostbarkeiten  darstellen, weil sie in Bezug zu Personen stehen, die ihn beeindruckt haben. Darunter auch ein Kohlstückchen, das er aus einem winzigen Holzstück, welches er in einer Ritze der Grabstelle von Simonetta Vespucci fand, gebrannt hat und ein weiteres, welches er aus einem Buchsbaumzweig des Grabmals des Dichters Petrarca anfertigte. 

Die Linien, die er mit der Kohle zeichnete, waren Oden an reale Schönheit, die sich in Gemälden letztlich als bloße Schatten dessen erwiesen, was die Schöpfung hervorgebracht hat und von Künstlern wie Botticelli auf geniale Weise idealisiert wurden. 

In der vorliegenden Erzählung wird an wunderbare Kunstschätze erinnert und an die Künstler, die diese schufen. Nach Giorgios Lehre habe der Mensch zwar Zugang zum Akt des Schöpfens des jeweiligen Künstlers, doch keinen zur Erkenntnis über den Schöpfer selbst. Das Innere gehörte ihm allein, doch alles, was er daraus schöpfte, gehörte allen. 

Die schöne Genoveva lässt Giorgios malerische Leidenschaft erneut aufleben und erkennen, dass die wahre Malerei jene ist, welche ein Staunen in die Gesichter der Menschen zaubert. 

Doch ich möchte nicht zu von der Handlung dieser Erzählung preisgeben... 

Merken  sollte man sich: Den Schatten des Schönen festzuhalten, bedeutet, etwas zu bewahren, was der Welt ansonsten abhandenkommt. "So sammelt die Malerei ihre Eindrücke, vergeistigt sinnliche Momente und lässt daraus etwas, was im Gegensatz zur Wissenschaft nicht greif- und messbarbar ist, wachsen. Es ist eine Assoziationspalette, die von der Malerei geschaffen wird. Eine Weisheit des Blicks, die uns zeigt, wie schön und wertvoll alles ist, was uns diese Welt vorstellt…"(Ludwig Drahosch, S. 86)

Vielleicht noch das... Giorgio lebt so sehr in der Welt der Renaissance, dass er gewissermaßen zum Wiedergänger des Renaissancekünstlers Giorgio Vasaris wird… 

Fazit: Dies ist eine der besten Erzählungen, die ich jemals gelesen habe, eine Ode an die Kunst und die Schönheit, die zum Träumen aber auch zum Nachdenken anregt. 

PS: Wunderschön auch sind die Illustrationen von Mag. Ludwig Drahosch in diesem Buch, die die Texte atmosphärisch bereichern.

Maximal empfehlenswert 

Helga König

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