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Rezension: Spitzweg- Eckhart Nickel- Piper



Eckhart Nickel, der Autor dieses Romans, studierte Kunstgeschichte und Literatur in Heidelberg und New York. 2019 hat er für seinen "Roman Hysteria" den Friedrich- Hölderlin-Förderpreis der Stadt Homburg erhalten. Derzeit schreibt er primär Reisereportagen für die FAS. 

Die Handlung und der Handlungsverlauf des Romans "Spitzweg" fand ich geradezu als nebensächlich, wenngleich ich das Werk als außerordentlich gelungen einstufe und Zeile für Zeile genossen habe.

Warum? 

Es ist die betörende Sprache, die Charakterisierung der Personen und die spielerisch vermittelte Bildung aber auch die Nachdenklichkeit des Autors, die es schaffen, auf vielfältige Weise das Interesse für das Geschriebene zu wecken. Hier wird geistvoll geplaudert, ohne ins Schwätzen zu verfallen. Die Sprache, bemerkenswert elaboriert, doch der Vortragende niemals hochnäsig, sondern erfreulich lässig, outet den Erzähler als brillanten Kopf, der seinem Protagonisten Carl seine Gedanken über Kunst und Kultur in den Mund gelegt hat. 

Der Ich-Erzähler, sein Freund Carl und die Klassenkameradin Kirsten nehmen im Handlungsverlauf nicht unwesentliche Rollen ein, doch die Hauptrolle spielt die Kunst und das, obschon der erste Satz im Buch heißt: "Ich habe mir nie viel aus Kunst gemacht." 

Den Roman selbst begreife ich dennoch weniger als Ode auf die Kunst, sondern mehr als Kritik an der Sprach- und Bildungsverkommenheit, die jungen Menschen, die heute kurz vor dem Abitur stehen, die Möglichkeit rauben, intellektuelle Themen in der Tiefe zu durchforsten.

Die Hauptfiguren des Romans - insbesondere Carl- scheinen aus der Zeit gefallen, sind so gebildet, wie manche Eltern sich Schüler an Gymnasien in der Oberstufe möglicherweise wünschen, aber seit der Digitalisierung, dem dort eingeübten "Kurzsprech" und dem pausenlosen Befassen mit Oberflächlichkeit in der Freizeit nicht mehr bekommen werden. 

Vielleicht sind die Pädagogen über diese Tatsache eher froh, als dass sie dies ernsthaft betrauern, denn die Lehrer im Roman sind mit den hochbegabten und irgendwie letztlich idealisierten Schülern wie Carl und Kirsten offenbar überfordert. 

Was hier zelebriert wird, ist etwas anderes als Sehnsucht nach dem untergegangen Bildungsbürgertum, denn es verfügt über ungezählte kritische Facetten, die Bildungsbürgerliche vermutlich erschrecken würden. Viel zu intelligent!

Eckhart Nickel baut Sätze, die die Leser zwingen, konzentriert zu lesen und den Ich-Erzähler aufhorchen lassen. Gedanken zur Malerei, Musik oder die Hymne auf den Tee begeistern, auch das beiläufige Erwähnen von Literatur, das sofort erkennen lässt, der Verfasser des Romans hat gelesen, wovon er schreibt. Dennoch ist das Werk keine narzisstische Nabelschau. 

Dann das Referat Carls im Kunstunterricht… Meisterlich! So könnten Schüler ausgebildet sein, wenn der Anspruch nicht darauf ausgerichtet wäre, das Niveau zu senken.

Subtil gewählt ist der Maler Carl Spitzweg im Hinblick auf Bildbeschreibungen, der für seine ironischen Bilder bekannt ist. Auch die Figur Carls im Roman könnte eine Figur Spitzwegs sein, weniger ein "Hagestolz" als ein "Kakteenfreund", der mit den zur Sprache gewordenen Stacheln seiner geliebten Kakteen die Hirntätigkeit seiner Lesern aktivieren möchte.  Ob es ihm gelingt?

Maximal empfehlenswert. 

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