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Rezension: Leben in allen Himmelsrichtungen- Andreas Altmann- Reportagen- Piper

#Andreas_Altmann ist einer der renommiertesten deutschen Reisebuchautoren, der mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde, so etwa dem Egon-Erwin-Kisch-Preis, dem Seume-Literaturpreis und dem Reisebuchpreis. 

In den vorliegenden Reportagen nimmt der Autor die Leser mit in die ganze Welt und lässt sie hier Anteil nehmen, an dem, was er sieht und erlebt, auch welche Menschen ihm begegnen und welche Eindrücke sie bei ihm hinterlassen. Dabei untergliedert er die Reportagen thematisch in neun Kapitel und gibt dem Leser freie Hand, womit er beginnen möchte. 

Im Vorwort bekundet Altmann, dass er stets die liebt, die zum Leben anstacheln und jenen Damen und Herren aus dem Weg geht, die es verhindern. Sein Ziel sei es, ein Lebensbuch nach dem anderen in die Welt zu schicken, in der Hoffnung, dass die Leser sich mitreißen lassen von der Sehnsucht nach Innigkeit und Anderssein. Sein Buch versammelt Geschichten von Leuten, die leben und gelebt haben, nicht selten vom Risiko überschattet. 

Altmann denkt übers Schreiben nach und konstatiert, dass Texte immer besser werden, wenn man sie mit Detailhuberei verschone. Genau das macht seine Texte so lesenswert. Sie befassen sich mit Wesentlichem und entziehen sich jedem Versuch der  Wortschwallerei. 

Ich habe das Buch zunächst durchgeblättert, weil ich mit der Reportage in die Reiseerlebnisse Altmanns einsteigen wollte, die mich von den ersten Sätzen am meisten packte. So entschied ich mich zu "Äthiopien- Eine Reise in tausend Geheimnisse". Den Textbeginn postete ich dieser Tage auf Twitter, um Neugierde auf das Buch zu wecken: "Immer will ich schreiben gegen die Schwerkraft des Herzens. Will zeigen dass die Welt einen Sinn hat und das Menschenleben irgendwo ein Ziel. Wir glauben, dass irgendwann alles gut ausgeht, und jeder so lebt, wie er sich das einst vorgestellt hat. Aber ich strauchle, stündlich. Mein Plädoyer klingt matt. Statt souveräner Rede stottere ich. Jeder Leimsieder weiß es besser, redet eleganter vom Unglück und der Ausweglosigkeit unserer Existenz. Wie ich dann schrumpfe. Jeder Blick auf die Erde. Jede Nahaufnahme beschädigten Daseins gibt ihm tausend Mal recht. Der portugiesische Dichter Fernando Pessoa notierte einmal, dass wir alle zwei Leben haben: "Eines, das wir träumen, und ein anderes, das uns ins Grab bringt." 

Andreas Altmann breitet dann auf wenigen Seiten Geheimnisvolles  aus Äthiopien aus, vergisst dabei den Blick in die Vergangenheit nicht, die das Jetzt dieses Landes verständlich macht. Zeile für Zeile begreift man das Anliegen dieses Reiseschriftstellers mehr:  "Die Welt anschauen: Ziegenböcke, die im Straßengraben kämpfen. Frauen, die im Dorftümpel die Wäsche waschen. Mädchen, die mit Eselskot die Felder düngen. Kuhhirten, die ihre Kalaschnikow reinigen. Mütter, die ihren Kindern- Läuse plagen- eine Glatze schneiden. Eine Greisin, die mir dreimal ins Gesicht spuckt, ah, der Speichel soll Glück bringen. Alte Männer, die ihre Hand heben und "welcome“ rufen.  Jedes Mal überkommt mich in solchen Augenblicken die kleine Lust, mir einen Afrikaner vorzustellen, der mit seinem Rucksack durch Deutschland spaziert und von deutschen Rentnern mit "Willkommen" begrüßt wird."  Er überlässt es dem Leser, darüber kritisch weiterzudenken. Seine Aufgabe: Durch Bilder Denkvorgänge anstoßen. Das gelingt ihm immerfort vortrefflich.

Am nächsten Abend las ich über die Unberührbaren in Indien. Anderen die Würde zu nehmen, ist so alt wie die Welt und Ziel jener, die sich auf Kosten anderer erhöhen wollen.  Unendlich kränkend für alle, die von Geburt an ausgegrenzt werden und denen die Chance genommen wird, ihren Anlagen gemäß zu leben. Sich damit abfinden, gelingt nicht jedem. Gott sei Dank. Manche machen sich auf den Weg und das ist gut so.

Andreas Altmann ist in der Welt zuhause. Sogar die Buchinger Klinik hat er aufgesucht und schreibt über das, was er dort erlebt, ebenso fair beobachtend, wie über Karla Schefter, die in Afghanistan 1989 ein Krankenhaus gegründet hat. 

Von Bagdad nach Trinidad, dann später irgendwann nach Louisiana, auch nach Kapstadt, findet der Leser sich alsbald im Sudan wieder und hier in Mapel, einem Savannendorf, wo "Ärzte ohne Grenzen" und UDA gemeinsam ein Camp aufgeschlagen haben. Sie kümmern sich um die medizinische Versorgung der Bevölkerung und um den Nachschub von Lebensmitteln. 

Der feinsinnige Reporter geht bei seinen Bildern extrem nah heran, um auf diese Weise Vielfalt zu zeigen und an die Mitmenschlichkeit zu appellieren, die an vielen anderen Orten, über die er berichtet,  auch nur selten zu finden ist. 

Andreas Altmann geht gedanklich in die Tiefe und schreibt dabei leichtfüßig, so als sei er durch die Welt getanzt. Er zählt  zu den  besonderen Menschen mit einem harten Geist und einem weichen Herzen. Davon gibt es nicht viele und nur wenige, die so brillant schreiben können wie er. 

Maximal empfehlenswert 

Helga König

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