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Rezension: Dius- Stefan Hertmans- Diogenes


Stefan Hertmans ist Belgier und gilt als einer der wichtigsten niederländisch-sprachigen Autoren der Gegenwart. Es ist das dritte Buch von ihm, das ich auf "Buch, Kultur und Lifestyle" rezensiere. Dabei kann ich in Worten kaum ausdrücken, wie begeistert ich von diesem Autor bin. Seine gedankliche Tiefe fasziniert ebenso wie seine Bildung.
 
Der Ich-Erzähler Anton, Dozent an einer Kunstschule in Belgien, erzählt von seiner intensiven Freundschaft zu seinem Schüler Egidius De Blaeser, Dius genannt, der überaus begabt und bei Frauen sehr beliebt war, dem jedoch trotz oder vielleicht auch wegen dieser Tatsachen, ein schweres Schicksal nicht erspart blieb. 

Den Lebensweg dieses Mannes, er ist der Stiefsohn eines Schuhmachers, zeichnet Anton sehr einfühlsam und dabei immer wieder irritiert vom künstlerischen Können des akribisch arbeitenden Freundes nach. 

Darüber hinaus nimmt Anton die LeserInnen mit in die Welt der Kunsttheorien, der Maler aus unterschiedlichen Jahrhunderten, in die Welt der Philosophie, auch in die Welt seiner schwierigen Liebesbeziehungen zu bemerkenswerten Frauen und schlussendlich in seine Einsamkeit, die er schätzt, weil sie ihm Raum zu intellektuellem Tun verschafft. Anton ist ein Geistesmensch, ganz ähnlich wie "Narziss" in Hermann Hesses Roman "Narziss und Goldmund".

Die LeserInnen werden Zeuge der Seelenverwandtschaft der beiden heterosexuellen Männer Anton und Dius, die eine Zeitlang gemeinsam in einem Haus wohnen und arbeiten, regen Gedankenaustausch betreiben und so in aller Abgeschiedenheit voneinander lernen. Anton schreibt an seiner Doktorarbeit, Dius ist mit seinem vielfältigen künstlerischen Schaffen befasst. 

Anton erarbeitet sich sein Kunstverständnis intellektuell, Dius durch intensive Anschauung. 

Die Gespräche der beiden Männer faszinieren in ihrer Tiefe, gleichgültig welche Themen sie berühren. Anton schreibt: "Sich in Dius´ Welt zu bewegen, glich einem Traum, unablässig wunderte ich mich darüber, dass er, obwohl er viel jünger war als ich, sich so entschieden von allem abkehrte, was mit moderner Kunst oder gar Gegenwartskunst zu tun hatte".

Dius wirkt wie ein Mensch aus einer anderen Zeit oder konkreter wie ein Mensch, dessen Wurzeln in der Renaissance  zu finden sind. 

Für Anton steht fest, dass sich alle Künstler- er nennt sehr berühmte Maler aus unterschiedlichen Epochen, sich mit einem Problem herumschlugen, nämlich mit der Frage, wie man die sinnliche Perzeption der Welt in eine geistige Form bringen kann. 

Anton denkt über vieles nach, weiß viel, lässt die LeserInnen daran teilhaben, schreibt u.a. auch über den Verrat von Freundschaft, den er durch Dius erleben musste und schreibt über das, was ihn an seinem Freund so faszinierte: "Er zeigte mir das Wesentliche, die einzige, machtvolle Quelle der Kreativität: eine offene, empfindsame Arglosigkeit, jene Naivität, ohne welche der Traum von Perfektion und Perspektive in der Kunst nicht möglich ist." 

Ich bin noch immer berührt von der tiefen Freundschaft der beiden Männer, ihrer  Liebe zur Natur, zur Kunst und Musik, zu all dem, was das Leben lebenswert macht und sehr traurig wie diese Freundschaft enden musste. Die Wege des Schicksals sich nicht ergründbar. Doch man ahnt, dass Fortuna unerbittlich  nimmt, wenn sie zuvor gegeben hat.

Onlinebestellung: Diogenes oder überall im Handel erhältlich.

  

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