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Rezension: Der Tangosänger- Tomas Eloy Martine

Der Ich- Erzähler in diesem Roman ist ein junger Amerikaner, namens Bruno Cadogan. Dieser schreibt gerade an seiner Dissertation, die die Werke des argentinischen Dichters Borges zum Gegenstand haben. Durch seine diesbezüglichen Studien beginnt Bruno sich für den argentinischen Tango zu interessieren, denn Borges hat auch zu diesem Thema etwas zu Papier gebracht. Bruno hört von einem Tangosänger, der besser singen soll als einst der berühmte "Gardel".

Dieses Sangeswunder heißt Julio Martel. Ihn möchte der Doktorand hören und sehen. Deshalb reist er nach Buenos Aires. Es ist schwierig über Martel etwas in Erfahrung zu bringen, weil er schon seit langem nicht mehr öffentlich auftritt. Im Zuge seiner Recherche lernt Bruno Alcira kennen. Diese Frau weiß mehr von Martel, u.a. auch, dass er schwer krank ist. Alcira begleitet den jungen Amerikaner durch die argentinische Metropole und zeigt ihm die morbide Schönheit einer Stadt, die schon bessere Zeiten erlebt hat. Alcira bringt ihn in Gegenden, die ein Tourist alleine nicht finden würde. Der Sänger Martel, so erfährt Bruno, singt stets auf Plätzen, die für die Stadt eine unrühmliche Bedeutung haben.

So etwa auf dem Platz, wo einst die alten Schlachthöfe standen. Dort ist man mit den ungezählten Rindern, die zum Verzehr bestimmt waren, nicht gerade zimperlich umgegangen, wie die verschiedenen Tötungsrituale dokumentieren. Martel singt auch auf Friedhöfen und man vermutet, dass er vor dem Haus der Greisin Violeta Miller ebenfalls seiner Passion nachgekommen ist. Violeta, eine polnische Jüdin, die man in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts als fünfzehnjähriges Mädchen gemeinsam mit unzähligen Leidensgenossinnen nach Argentinien verschleppt hatte, wurde in den dortigen Bordellen zur Prostitution gezwungen.

Wie der Autor berichtet, wurden die Körper dieser bedauernswerten Geschöpfe so sehr geschunden, dass deren Schließmuskel platzten. In diesem Bordellmileu übrigens entstand der Tango! Violeta, die es schafft, aus dem Sexualkerker zu entfliehen, - gelangt als alte Dame, zwischenzeitlich ist sie durch einen prächtig florierenden Devotionalienhandel reich geworden, nach Buenos Aires.

Dort liefert sie aus Angst ihre Haushälterin Catalina Godel, eine von der Miliz gesuchte Widerstandskämpferin, der damaligen Militäjunta aus, um anschließend selbst von der raffgierigen Miliz ausgeplündert zu werden. Violeta und Catalina sind zwei Opfer unter vielen. Martinez berichtet in diesem Zusammenhang von den grausamen Folterungen und Morden an politisch Andersdenkenden während der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Argentinien. Und so weiß der Autor immer wieder anhand individueller Geschichten dieser Art die Geschichte von Buenos Aires zu erzählen, einer schönen, gleichwohl morbiden Stadt, in der Martel oder ein anderer Tangosänger klangvolle Lieder anstimmen, während irgendwer nachdenklich das legendäre Bandoneon dazu spielt!

Eine wehmütige Ode an Argentiniens Hauptstadt.




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