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Rezension:Der letzte Bruder: Roman (Gebundene Ausgabe)

Der Roman der auf Mauritius geborenen Autorin Nathacha Appanah wurde in mehr als fünfzehn Sprachen übersetzt und war in Frankreich ein Bestseller. Dem Handlungsgeschehen liegt ein historisches Ereignis zu Grunde. Sein Ziel besteht darin ein Kapitel der Weltgeschichte, das kaum bekannt ist, einem breiteren Leserkreis zugänglich zu machen.

Am 26.12.1940 wurden 1500 Juden - Österreicher, Polen und Tschechen -, die seit Herbst 1939 vor den Nazis auf der Flucht waren, nach Mauritius deportiert. Die Insel war zu diesem Zeitpunkt eine britische Kolonie. Das Reiseziel der Juden war Palästina. Da sie keine vorschriftsmäßigen Reisepapiere hatten, wurden sie beim Eintreffen in Haifa seitens des British Foreign Office und vom British Colonial Office als illegale Einwanderer eingestuft und nach Mauritius verbracht. Dort internierte man sie bis zum bis August 1945 im Gefängnis von Beau-Bassin. Während der vier Jahre des Exils starben 127 inhaftierte Juden.

Der Ich-Erzähler Ray, ein ehemaliger Lehrer, erinnert sich seiner Kindheit auf Mauritius. Er berichtet von der Armut und der Kinderhölle, die er erlebt, weil sein Vater ihn, seine beiden Geschwister und seine Mutter im alkoholisierten Zustand immerfort schwer misshandelte. Seine Brüder, denen er herzlich verbunden ist, kommen in ihrer Kindheit ums Leben. Das macht Rays Vater noch unausstehlicher. Er wird zum Peiniger seiner Frau und seines nunmehr einzigen Kindes.


Der gewalttätige Trinker arbeitet als Aufseher im Gefängnis von Beau-Bassin. Dort ist u .a . auch das jüdische Kind David eingesperrt, dem während eines Zyklons, der auf der Insel tobt, die Flucht gelingt. Zwischen David und Ray, die sich im Gefängnis kennengelernt haben, ist eine enge Freundschaft entstanden. Ray begreift David als seinen letzten Bruder. Gemeinsam mit seiner Mutter versteckt Ray den Freund und flüchtet schließlich mit ihm in den Dschungel, nicht zuletzt um der Grausamkeit seines Vaters zu entkommen, die dieser sicher auch hätte David spüren lassen. Ray hat Angst um seinen geliebten Freund. Er weiß zu diesem Zeitpunkt nichts von dem, was mit den Juden in Europa durch die Nazis geschehen ist. Erst Jahrzehnte später wird Ray begreifen, was sich damals auf Mauritius zugetragen hat, wird das Unrecht an den Juden in seiner Gesamtheit erfassen.

David überlebt die gemeinsame Flucht nicht. Ray kann fortan den Freund nicht mehr vergessen. Er bleibt Teil seiner Seele. Als Ray erwachsen ist, sucht er unermüdlich in Büchern, Filmen und Archiven, um in Erfahrung zu bringen, wie David in den Jahren zuvor in Europa lebte, welche Ängste der Freund hat aushalten müssen.

Ray, ein durch seinen Vater gepeinigtes Kind, bleibt mit dem ebenfalls gepeinigten Freund auf ewig verbunden....

Ein sehr leiser, ungemein berührender Text, der die Zartheit von Kinderseelen und die liebvolle Zuwendung zweier ganz junger Menschen thematisiert, die sich in einer falschen Zeit und am falschen Ort begegnet sind und deshalb nur eine kurze Weile ihre Freundschaft leben konnten.

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