Die Wunderübung als Mittel der Verständigung im Turm zu Babel
2006 las ich den ersten Roman von Daniel Glattauer. In "Gut gegen Nordwind" thematisierte der Autor eine Internet-Romanze und zwar so gekonnt, dass dieses Buch zum Bestseller wurde.
2014, jetzt, - die Zeiten von Internet-Romanzen sind offenbar abgekühlt-, nun "Die Wunderübung", eine (schwarze) Komödie, mal wieder brillant geschrieben und ein Thema aufgreifend, das die Phasen lange nach der ersten Verliebtheit in so manchen Partnerschaften skizziert, speziell von solchen sprachlich gut ausgebildeter Menschen, wenn es diesen an psychologischen Kenntnissen und vor allem an Selbstkritik mangelt. Dann werden Beziehungen zu verbalen Schlachtfeldern und es wird gekränkt und verletzt, dass die Schwarte kracht. Dann wird sich an verbal brillant vorgetragener Niedertracht "aufgegeílt" und Stunde um Stunde, Tag um Tag die Liebesbeziehung immer mehr zur Beziehungshölle umfunktioniert, bis man sich schließlich trennt oder einen Beziehungsberater aufsucht.
Letzeres tun die Protagonisten im vorliegenden Buch, beide um die 40, beide akademisch ausgebildet, beide frustriert und bissig, weil die eigenen Erwartungshaltungen vom Partner nicht erfüllt werden, beide sehr gut im Projizieren und im Kränken, bis schließlich die "Wunderübung" greift...
In den nächsten Tagen werde ich ein sehr kluges Buch rezensieren, das mit der vorliegenden Komödie korrespondiert. Es geht darum, sich auf den anderen vollständig einzulassen und den anderen völlig zu akzeptieren, denn nur auf dieser Weise haben Beziehungen wirklich Bestand, nur so kann respektvoll miteinander umgegangen werden, ohne dauernd zu verletzen und zu kränken, nur so ist ein Entkommen aus Beziehungshöllen möglich. Offensichtlich bedarf es in nicht wenigen Beziehungen bestimmter Übungen, hauptsächlich jener, sein Seelenleben und seine Schwächen nicht wie eine keusche Jungfrau ihren entblößten Körper vor dem Gegenüber schamvoll hinter einem Paravent zu verstecken.
Wer stets seine Wünsche und Schwächen auf andere projiziert, wird versuchen, jede neue Beziehungen zu einem neuen Schlachtfeld zu machen. Vermutlich helfen in diesem Fall nur Wunderübungen…
Glattauer gelingt es, die verbalen Abgründe in Beziehungen aufzuzeigen, die so ungemein kränkend sein können. Insofern geht es auch ihm um Verständigung im Turm zu Babel, dem Thema des Jahres 2014, zu dem er einen sehr guten Beitrag leistet.
Empfehlenswert.
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